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Untertitel:
Ein Führungs-Tool zur
Erwartungs-Klärung

Der Gesprächszyklus.
Gespräche um Probleme mit Mitarbeiter*innen zu klären

Sind Probleme, Herausforderungen, Schwierigkeiten, Baustellen, … mit Mitarbeiter*innen zu klären, um Lösungen zu finden, so ist für eine professionelle Vorgangsweise ein Zyklus von 5 Gesprächen (bzw. Gesprächs-Phasen), die jeweils eine unterschiedliche ‚Logik‘ haben. Das müssen nicht separate Gespräche sein. Gespräch 2 und 3 können zusammengefasst werden, Gespräch 1 kann auch entfallen, wenn die Führungskraft sicher ist, dass die Erwartungen geklärt sind.

  1. Erwartungs-Gespräche.
  2. Klärungs-Gespräche.
  3. Vereinbarungs-Gespräche.
  4. Nachfass-Gespräche.
  5. Abschluss-Gespräche.

In diesem Beitrag geht es um Gespräch 1: Das Erwartungs-Gespräch

Wissen die Mitarbeiter*innen, was Sie als Führungskraft von ihnen erwarten?

Gespräche zwischen Tür und Angel

Das ist nicht so selbstverständlich, wie es manche Führungskräfte denken. „Ich habe es ihnen doch eh 1000 mal gesagt“, antworten mir manche Führungskräfte auf die Frage nach ihren Erwartungen an die Mitarbeiter*innen. Sie meinen, wenn sie öfter genörgelt, kritisiert, angemerkt haben, dass etwas nicht stimmt, dass es dann für die Mitarbeiter*innen klar sein muss, was zu tun und was zu lassen ist. Häufig stellt sich jedoch heraus, dass sie Botschaft nicht bei den Mitarbeiter*innen, zumindest nicht bei allen angekommen ist.  Sie denken sich eher: „Heute ist sie nicht gut aufgelegt, also lassen wir sie in Ruhe, das gibt sich wieder.“

Wichtig ist also nicht in erster Linie das, was gesendet wird, sondern das, was beim Mitarbeiter*innenankommt. 1 Da viele Führungskräfte sich nicht die Zeit für die „kleinen Führungsgespräche“ (Vier-Augen-Führungsgespräche) im Führungsalltag  nehmen, sondern nur ‚zwischen Tür und Angel‘ kommunizieren ist das nicht verwunderlich.

Zudem kommt, dass Führungskräfte nicht selten sogar selbst nicht genau wissen, was sie konkret erwarten. Dann gibt es zwischen dem, was sie sich selbst und den Mitarbeiter*innen sagen und dem, was sie tatsächlich meinen, eine Diskrepanz.

Werden Erwartungen nicht geklärt und kommuniziert, so besteht die Gefahr von Spannungen und Konflikten. Erwartungsgespräche gehören daher auch zum Instrumentarium der Konflikt-Prävention / Konflikt-Prophylaxe.

Ein Beispiel aus der Praxis

Ein Beispiel für unterlassene Erwartungsgespräche: Eine Unternehmerin, Besitzerin eines Unternehmens in der Mode-Branche mit mehreren Filialen war mit der Tatsache konfrontiert, dass ihre Verkäuferinnen nicht rechtzeitig zur Arbeit kamen. Das Geschäft öffnet um 9 Uhr, viele kamen kurz vor 9 Uhr, sodass sie zu Geschäftsbeginn noch nicht „auf der Fläche“ waren (Umziehen, Schminken, …) Die Unternehmerin ärgerte sich, nörgelte oft vor versammelter Mannschaft, unternahm jedoch sonst nichts.
In einem Coaching-Gespräch klärt sie zunächst selbst ihre konkreten Erwartungen: 8.45 Uhr, das war ihr vorher selbst nicht so klar. Sie nahm sie sich vor, dies beim nächsten Team-Meeting anzusprechen. Sie sagte ihren Mitarbeiter*innen, dass sie erwarte, um 8.45 zu kommen, um noch genug Zeit für ihre ‚privaten Angelegenheiten‘ zu haben und bei Geschäftsbeginn einsatzbereit zu sein. Sie fragte nach, ob jemand Probleme damit habe, es wurde kurz diskutiert, aber es  kamen keine ablehnenden Rückmeldungen.
Seither klappt der pünktliche Beginn.
Zusätzlich stellte die Unternehmerin  um 8.30 Uhr Kaffee zur Verfügung und manchmal auch einige belegte Brötchen oder Mehlspeisen (inzwischen gibt es eine Kaffee-Maschine). Einige Mitarbeiter*innenkommen auch regelmäßig schon ab 8.30, trinken gemeinsam Kaffee, erledigen ihre Telefonate und tauschen mit anderen Informationen aus. Das hatte einen Anziehungseffekt auf andere Mitarbeiter*innen, die auch oft früher kommen weil sie den informellen Informationsaustausch schätzen. Auch die Unternehmerin selbst nimmt sich regelmäßig Zeit für dieses Mini-Frühstück mit informellem Informations-Austausch. Die Unternehmerin hat  auch den Eindruck, dass dies auch das Betriebsklima verbessert hat.

Hier zeigt sich, wie wichtig es für Führungskräfte ist, klar mitzuteilen, was man will, was die konkreten Erwartungen sind. Führungskräfte sind nicht nur berechtigt, sondern aus meiner Sicht verpflichtet, ihre konkreten Erwartungen offenzulegen.

Vorgangsweise

  • Nehmen Sie sich im Rahmen ihrer Führungsaufgabe ‚konzeptiv / strategisch Führen‘ Zeit, um mit sich ins Reine zu kommen: Was erwarte ich von meinen Mitarbeiter*innen: Was erwarte ich von allen / was von bestimmten Mitarbeiter*innen? Formulieren Sie es schriftlich!
  • Formulieren Sie Ihre Erwartungen so konkret wie möglich, so messbar wie möglich. Im obigen Beispiel: Nicht: „Rechtzeitig kommen.“ sondern: „Um 8.45 kommen.“
  • Erwartungen an alle (viele) Mitarbeiter*innen werden in Mitarbeiterbesprechungen allen mitgeteilt, diskutiert, ev. adaptiert und (u. U. in einer nächsten Besprechung) vereinbart – und schriftlich festgehalten.
  • Erwartungen an einzelne Mitarbeiter*innen werden in Einzelgesprächen besprochen und vereinbart. Es ist wichtig, auch den Mitarbeiter*innen Stellung nehmen zu lassen.
  • Fragen Sie bei  bei all diesen Gesprächen nach dem Verständnis (z. B. „Ist klar geworden, was ich erwarte?“)
  • Fragen Sie in all diesen Gesprächen nach dem Einverständnis (z. B. „Was sagst du zu diesen Erwartungen? Sind sie für dich o.k.? Bist du damit einverstanden? Oder hast du Bedenken?) und holen Sie sich die Zustimmungs-Erklärung („Ja, ich habe verstanden, was du erwartest.“)
  • Hinweis: Pressen Sie nach Möglichkeit  Ihre Erwartungen nicht durch, sondern lassen sie genug Spielraum, um (Fein-)Anpassungen durch die Mitarbeiter*innen zu ermöglichen. Sie werden dann mit mehr Selbst-Verpflichtung / Commitment ‚geladen‘ und erhöht die Chance, dass Vereinbarungen auch eingehalten werden.

Fazit: Sagen Sie ihren Mitarbeiter*innen klipp und klar, was sie von ihnen erwarten (und fragen Sie nach, wie sie dazu stehen).

Erwartungs-Management

Erwartungs-Gespräche sind ein zentrales Element des Erwartungs-Managements. Dabei geht es darum, die Erwartungen mit allen wichtigen Personen bzw. wichtigen sozialen Systemen (Stakeholder) zu kennen (zu diagnostizieren) und zu gestalten. Ein theoretisches Konzept dahinter ist der ‚psychologische Vertrag‚. Hinweise dazu finden sich im Beitrag: Erwartungs-Management und der psychologische Vertrag.

 

Selbstreflexion und Umsetzung

Erwartungen an Ihre Mitarbeiter*innen (MA)
  • Nehmen Sie ein Blatt Papier und schreiben Sie auf, was sie von ihren Mitarbeiter*innen (MA) konkret erwarten, z. B. Ergebnisse, Verhaltensweisen, Regeln, die eingehalten werden sollen, …
  • Unterscheiden Sie dabei
    • Was erwarten Sie von allen MA?
    • Was erwarten Sie von einzelnen MA oder MA-Gruppen
  • Sind ihre MA in einer Führungsfunktion, dann überlegen Sie auch, welche Führungs-Verhaltensweisen sie erwarten.
  • Unterscheiden Sie auch die Wertigkeit der Erwartungen: Welche Erwartungen sind ein ‚must‘, welche ein ’nice to have‘, …

Erwartungs-Einschätzung von ihren MA

  • Was erwarten vermutlich ihre MA von Ihnen? Schreiben Sie auch das konkret auf.

Erwartungsklärung

  • Planen Sie konkrete Gespräche. Mit welchen MA wollen Sie ein Erwartungs-Gespräch führen? Alleine oder in Kombination mit einem anderen Gespräch, z. B. im Rahmen des MA-Jahresgesprächs?
Erwartungen Ihres Chefs / Ihrer Chefin
  • Was sind (vermutlich) die unausgesprochenen Erwartungen Ihres Chefs / Ihrer Chefin? Reflektieren Sie und listen Sie sie auf.
  • Führen Sie auch mit ihrem Chef / Ihrer Chefin ein Erwartungsgespräch
Erwartungen andere Stakeholder
  • Machen Sie das gleiche für andere wichtige Personen (Stakeholder) in Ihrem Arbeitsumfeld (vielleicht auch in ihrem privaten / familiären Umfeld).

Querverweise

Erwartungs-Management und der psychologische Vertrag.

Das Abilene Paradoxon – Umgang mit Erwartungen

Übersichtsblog – Führungsgespräche

Problemklärung mit Mitarbeiter*innen – der Gesprächszyklus

 

Literaturhinweise und Links

Erwartungs-Management

Dirk Baecker: Was gute Führung ausmacht (14): Dirk Baecker über Erwartungsmanagement und die neue Selbstermächtigung der Organisation. Aus: oestermann.wordpress.com. https://oestermann.wordpress.com/2016/05/16/was-gute-fuehrung-ausmacht-14-dirk-baecker-ueber-erwartungsmanagement-und-die-neue-selbstermaechtigung-der-organisation/.

o. A.: 11 wirksame Tools, die moderne Führungskäfte erfolgreich machen. Was Sie als moderne Führungskraft brauchen. Aus: organisationsberatung.net. https://organisationsberatung.net/tools-fuer-moderne-fuehrungskraefte/.

Claude Heini: HR und Leadership. Führen heisst Erwartungen managen – einfach?. Aus: www.kalaidos-fh.ch. 14. 5. 2014. https://www.kalaidos-fh.ch/de-CH/Blogs/Posts/2014/05/fuehren-heisst-erwartungen-managen-einfach.

Karin Erni: Drei Dinge die wir beim Stakeholder-Management leicht übersehen. Oder: Wie wir erfolgreicher sind, wenn wir Erwartungen nicht erfüllen. Aus:  www.erni-coaching. https://www.erni-coaching.com/drei-dinge-die-wir-beim-stakeholder-management-leicht-uebersehen.

 

Der psychologische Vertrag

Edgar Schein: Organisationspsychologie. Gabler 1980

Edgar H. Schein. Der „psychologische Vertrag“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Artikel in Carol Kennedy: Management Gurus, S.  188 – 191

  1.   Vgl. den Blog-Beitrag Sätze-Sätze-Sätze

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