Das pädagogische Führungsgespräch im Führungsalltag

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Die Praxis

„Wer als Werkzeug nur den Hammer kennt …“

Pädagogische Führungsgespräche haben zum Ziel, Lernprozesse bei den Mitarbeitern zu bewirken. Das klingt zunächst sehr positiv, weist in der Praxis aber häufig negative Formen auf und verweist auf die ‚alte Pädagogik‘ (’schwarze Pädagogik‘1 2 3 4

Eine häufig angewandte Praxis: Die Führungskraft holt den Mitarbeiter zu sich, weist darauf hin, dass eine Aufgabe (wieder einmal) nicht zufriedenstellend erledigt wurde und erklärt ihm oder ihr (oft zum wiederholten Male) die Aufgabe bzw. die richtige Vorgangsweise: Was er zu tun hat, wie und wann sie es machen soll usw. Diese Form ist  ein (‚pädagogisches‘) Belehrungs- und Korrektur-Gespräch – symbolisch mit erhobenen Zeigefinger. Es kann aber auch ein neutrales oder positiv erlebtes Erklärungs- bzw. Lern-Gespräch sein: Ich gebe mein Wissen und meine Erfahrungen weiter. Wenn ein Erklärungsgespräch zum gleichen Thema wiederholt wird, wird es vom Mitarbeiter meist als Belehrung erlebt.

Zwei Versionen

Version Erklärungs und Lern-Gespräch: Die Führungskraft erklärt einem neuen bzw. noch wenig erfahrenen Mitarbeiter eine Aufgabe, die Vorgangsweise, die Qualitätskriterien, die zugehörigen Kompetenzen und Verantwortungsfelder einer Aufgabe, z. B. im Rahmen des Onboardings eines neuen Mitarbeiters bzw. im Zuge eines Delegationsgesprächs.

Version Belehrungs- und Korrekturgespräch: Die Führungskraft belehrt einen Mitarbeiter, der eine ihm übertragene Aufgabe nicht befrieidgend erledig hat – vor allem über die mit der Aufgabe verbundenen Pflichten und die Qualitätskiterien, vor allem jene, die bisher nicht eingehalten wurden.

Wirksamkeit im Führungs-Alltag

Die (falsche) Suche des Schlüssels unter der Laterne – weil es dort hell ist.

Erklärung und Belehrung als Führungsmittel sind nur sehr begrenzt sinnvoll: Wenn es zu oft angewendet wird, zerstört es mehr als es nützt. Das Prinzipmehr desselben“ ist selten befriedigend. Paul Watzlawick hat darauf in einer seiner Anleitungen zum Unglücklichsein hingewiesen 5

Die Wirkung von pädagogischen Führungsgesprächen sind also sehr begrenzt. Für Neueinsteiger kann es sehr hilfreich sein, für ‚schwierige Mitarbeiter“ (Mitarbeiter, die von ihrer Führungskraft als schwierig empfunden werden) meist völlig ungeeignet. Hier  erleben viele Führungskräfte, dass es dann zwar nach so einem Gespräch einige Zeit klappt, dann aber wieder in den alten, unbefriedigenden Zustand zurückkehrt. Da sie aber kein alternatives Führungstool kennen, wiederholen sie es vielleicht ein oder sogar mehrmals und lassen es dann wieder sein. Auch hier passt ein bekannter Spruch, der oft Paul Watzlawick zugeschrieben wird: „Wer als Werkzeug nur einen Hammer kennt, sieht in jedem Problem einen Nagel.“(… für den ist jedes Problem ein Nagel)  Der Spruch geht eigentlich auf Mark Twain zurück oder noch weiter auf Samel Langhorne Clemens, einem US-amerikansichen Erzähler und Satiriker.

 

 

Querverweise

Schwarze Pädagogik in der Führung.

Die autoritäre Persönlichkeit.

Das pädagogische Führungsgespräch im Führungsalltag.

Führungsgespräche – Übersichtsblog.

 

Literatur und Links

schwarze Pädagogik

Literaturhinweise finden sich in meinem Beitrag zur schwarzen Pädagogik in der Führung

Erhard Meueler: Wie aus Schwäche Stärke wird: vom Umgang mit Lebenskrisen. Schibri-Verlag, 1999. (1 – Rowohlt 1987)

Michael A. Milburn und Sheree D. Conrad: Raised to Anger. The Politics of Anger and the Roots of Authoritarianism. The MIT Press, Cambridge, London 2016.

o. A.: Schwarze Pädagogik. Aus: de.wikipedia.org. https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_P%C3%A4dagogik#cite_note-MILCON-22.

Katharina Rutschky (Hrsg.): Schwarze Pädagogik. Quellen zur Naturgeschichte der bürgerlichen Erziehung. Ullstein. 1997 (Inhaltsverzeichnis). Historische Literaturquellen zur schwarzen Pädagogik.
Rezension von: Eberhard Hübner: Schwarze Pädagogik. Dokumente zur Geschichte der Erziehung. In: Die Zeit. 27. Mai 1977. https://www.zeit.de/1977/23/schwarze-paedagogik/komplettansicht.

Werner Sesink: Einführung in die Pädagogik. LIT Verlag Münster, 2001. S. 68.

Dieter E. Zimmei: Das Unbehagen an der Autorität. Erziehung: „Respekt und Liebe schließen sich nicht aus“ (II). Aus: www.zeit.de. 14. August 1981. https://www.zeit.de/1981/34/das-unbehagen-an-der-autoritaet/komplettansicht.

 

Paul Watzlawick, Mullah Nashrudin

Paul Watzlawick: Anleitung zum Unglücklichsein.  Piper, München 2011 (Leseprobe 2010), (1 – 1983).

Idries Shah: Die fabelhaften Heldentaten des vollendeten Narren und Meisters Mulla Nasrudin. Freiburg im Breisgau. Herder, 2. Auflage 1984.

Rudolf Wimmer, Thomas Schumacher: Führung und Organisation. In: Rudolf Wimmer, Jens O. Meissner, Patricia Wolf (Hrsg.): Praktische Organisationswissenschaft. Lehrbuch für Studium und Beruf. Carl Auer Verlag. Heidlberg. 2014. Kap. 9, S. 169 ff. Aus: www.researchgate.net (Volltext).

Othmar Sutrich, Martin Hillebrand: Komplementärberatung: Die einzige realistische Option für Manager. Aus: http://www.sutrich.org. http://www.sutrich.org/wp-content/uploads/2015/06/komplementaerberatung_2010.pdf.

Grald Krieghofer: Zitatforschung. Falschzitate mit Belegen und Kommentaren: „Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, ...“

  1. Zur schwarzen Pädagogik vgl. z. B. Erhard Meueler: Wie aus Schwäche Stärke wird 
  2. Ganz allgemein geht es in der schwarzen Pädagogik um die Verleugnung oder das Zurückdrängen der (schlechten) Natur des Menschen zugunsten der Vernunft bzw. des Geistes. Mit Hinweis auf Salomon: „Du hauest ihn (den Knaben) mit der Rute; aber du errettest seine Seele von der Hölle.“ Aus: Werner Sesink: Einführung in die Pädagogik, S. 68.  Modernere Versionen der schwarzen Pädagogik drücken das natürlich gewählter aus. 
  3.   Besonders drastisch kennzeichnet Alice Miller die schwarze Pädagogik aus dem Hintergrund der Untersuchungen zur autoritären Persönlichkeit:

    „Unter der ‚Schwarzen Pädagogik‘ verstehe ich eine Erziehung, die darauf ausgerichtet ist, den Willen des Kindes zu brechen, es mit Hilfe der offenen oder verborgenen Machtausübung, Manipulation und Erpressung zum gehorsamen Untertan zu machen.“
    A. Miller: Evas Erwachen, 2001. (aus: Michael A. Milburn und Sheree D. Conrad: Raised to Anger. Übersetzung aus: o. A.: Schwarze Pädagogik.)
    Vgl. dazu auch meinen Beitrag: Die autoritäre Persönlichkeit.

  4.   Den Zusammenhang zwischen schwarzer Pädagogik – autoritärer Persönlichkeit und Gewalt zeigt Alice Miller:

    „Was die Zürcher Psychoanalytikerin Alice Miller in ihrem Buch Am Anfang war Erziehung (1980) so beredt beschreibt, die Familie als eine „Brutstätte des Hasses“, den „Mord am Kind“, den eine Erziehung begeht, die alles „Lebendige, Kreative, Emotionale“ in ihm unterdrückt, die „schwarze Pädagogik“ (Katharina Rutschky), reifend vom listenreichen Fallenstellen bis zur Mißhandlung und regelrechten Folter – viele Psychologen wissen schon lange: Gewalt zeugt Gewalt. Gewalttätige Eltern bringen gewalttätige Kinder hervor.“ Aus: Dieter E. Zimmei: Das Unbehagen an der Autorität. ).

  5.    Zum Prinzipmehr desselben“  vgl. Paul Watzlawick: Anleitung zum Unglücklichsein.). Er findet sich schon in der alten Mullah Nashrudin Lehrgeschichte vom verlorenen Schlüssel: Der Mullah sucht seinen  Schlüssel unter einer Laterne, ein anderer hilft ihm bei der Suche. Nach langem Suchen fragt ihn dieser, ob er sicher sei, den Schlüssel hier verloren zu haben. Der Mullah antwortet: „Nein nicht hier, sondern hinten, aber hier ist es viel heller.“[1.  Es hat keinen Sinn, hier mehr zu suchen (mehr desselben) sondern die Perspektive zu wechseln. Vgl. zur Schlüssel-Geschichte auch Rudolf Wimmer, Thomas Schumacher: Führung und Organisation. S. 173f., Othmar Sutrich, Martin Hillebrand: Komplementärberatung, S. 18.