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Erwartungen beeinflussen das Verhalten von Menschen. Sie sind Inhalt eines impliziten (psychologischen) Vertrags, den Mitarbeiter*innen mit Führungskräften schließen (oft, ohne sich dessen bewusst zu sein). Sie sind eine wichtige Determinante im Führungsprozess. Führungskräfte sollten die spezifischen Erwartungen ihrer Mitarbeiter*innen kennen. Daher sind Erwartungsgespräche ein wichtiges Führungs-Tool. Hilfreich ist es jedoch auch, generelle Erwartungshaltungen von Mitarbeiter*innen zu kennen. Über dieses Hintergrundwissen sollten Führungskräfte verfügen.

Eine weltweite Studie beschäftigte sich mit diesen generellen Mitarbeiter-Erwartungen. Sie ermittelte Werte (Attribute und Verhalten), die Mitarbeiter bei ihren Führungskräften schätzen bzw. ablehnen.

globale Führungswerte – weltweit

Vereinfacht kann man diese Werte in 8 positive und 4 negative Führungsideale zusammenfassen. Sie gelten in allen untersuchten Kulturkreisen, haben aber jeweils einen unterschiedlichen Stellenwert (andere Rangordnung) in den unterschiedlichen Ländern bzw. Kulturkreisen.

Die GLOBE-Studie

Die Studie1 – GLOBE – „Global Leadership and Organisatzional Effectiveness Program“ – wurden in über 60 Ländern aller Kontinente und in den wichtigsten Kulturkreisen durchgeführt.2.

951 Unternehmen wurden untersucht, 17.300 Interviews durchgeführt, 170 Wissenschaftler (Country co-investigators“) unter der Führung von Robert J. House (Wharton School of the University of  Pennsylvania) waren daran beteiligt.3.

idealer Chef?

Die Studie umfasste 3 Phasen, in der zuerst Forschungsinstrumente entwickelt, dann gesellschaftliche und Organisations-Kulturen 4  analysiert wurden.

 

Die dritte Phase beschäftigte sich mit der Effektivität von spezifischen Führungs-Verhaltensweisen.

Die folgenden Führungsideale gelten für alle Kulturkreise, wenn auch in unterschiedlicher Bedeutung / Reihenfolge.5. Es wird gerade untersucht, inwieweit sich das auch in den Managment- und Führungstrainings auswirkt.6 7

Positive Führungsideale

Was schätzen die Mitarbeiter (positive) an ihren Führungskräften.8

1. Integrität

Integrität

Mitarbeiter schätzen Führungskräfte, die sie als vertrauenswürdig, ehrlich und gerecht erleben. Man vertraut ihnen, weil sie tun, was sie sagen („walk the talk“), weil sie Handschlagqualität haben, weil man ihren Worten traut. Man erlebt sie verlässlich / zuverlässig.

2. Inspiration

An der Führungskraft wird geschätzt, dass sie positiv wirkt, weil sie Mitarbeiter ermutigt und anspornt. Es gelingt ihnen, die Energien ihrer Mitarbeiter zu mobilisieren bzw. zu aktiiveren.

3. Leistungsorientierung

Der Führungskraft gelingt es, nicht nur normale, durchschnittliche sondern exzellente Leistung ihres Teams zu erzielen.

4. Vision

Vision oder Zukunftsorientierung zeigt: Die Führungskraft hat positive Bilder von der Zukunft ihres Führungsbereichs bzw. des Unternehmens. Sie wirkt visionär und vorausschauend. Sei plant die Dinge und antizipiert Ereignisse.

5. Teamintegration

Die Führungskraft informiert ihre Mitarbeiter und das Team, wirkt als Koordinator und Teambildner. Es gelingt ihr, ein Team zu bilden, das zusammenarbeitet.

6. Entschlossenheit

Entschlossenheit oder Bestimmtheit kennzeichnet, ob die Führungskraft entscheidungsfreudig wirkt, nicht allzu lange zögert, sondern rasch entscheidet und entschlossen erscheint.

7. Administrative Kompetenz

Die Führungskraft hat die Fähigkeit, für ihr Team bzw. ihre Organisationseinheit zu planen, es / sie zu organisieren, koordinieren und kontrollieren.

Diplomatie

8. Diplomatie

Die Führungskraft kann win-win-Situationen schaffen. Sie findet Lösungen für Situationen mit widersprüchlichen Interessen.

Negative Führungsideale

Was lehnen die Mitarbeiter (positive) bei ihren Führungskräften, was stößt sie ab, was hassen sie?9

1. Böswilligkeit

Führungskräfte werden abgelehnt, wenn sie launisch und gereizt in die Firma kommen, wenn sie unkooperativ sind.

2. Autokratie

Bild „Autokratie IV“ von Anja Wülfing

Bei Führungskräften wird nicht geschätzt, wenn sie sich diktatorisch und autokratisch verhalten, sich elitär benehmen. 10

3. Selbstzentriertheit

Führungskräfte, die nur ihren eigenen Nutzen im Auge haben, werden negativ gesehen.

4. Gesichtswahrer

Diese Führungskräfte vermeiden Negatives und sagen nicht direkt was sie meinen, was sie wollen.

Hintergrund

Die beschriebenen 12 Führungsideale sind ein Ergebnis der Führungsstudie und Teil der 21 „primary leadersip dimensions“, die zu 6 „culturally endorsed leaderhsip theory dimensions“ gruppiert wurden. Sie sind in der Tabelle11 unten aufgelistet12

globale Führungsdimensionen

 

 Querverweise

Literatur

GLOBE

Robert J. House, Paul J. Hanges, Mansour Javidan, Peter W. Dorfman, Vipin Gupta: Culture, Leadership, and Organizations – The GLOBE Study of 62 Societies. Thousand Oaks: Sage Publications. 2004

House R.J. et al. (2007): Culture and Leadership Across the World: The GLOBE Book of In-Depth Studies of 25 Societies. Mawah: Lawrence Erlbaum Assoc Inc.

Robert J. House, Paul J. Hanges, S. Antonio Ruiz-Quintanilla, Peter W. Dorfman, Mansour Javidan, Marcus Dickson: Cultural Influences on Leandership and Organizations: Project Globe
Link 1, Link 2

Jon Briscoe, Michael Dickmann, Tim Hall, Emma Parry, Wolfgang Mayrhofer, and Adam Smale: Career success in different countries: Rflections on the 5C project. In: Michael Dickmann, Vesa Suutari, Olivier Wurtz: The Management of Global Careers. Exploring the Rise of International Work. Springer. 2018, S. 117 – 148.

Chris Brewster, Wolfgang Mayrhofer, Elaine Farndale: Handbook of Research on Comparative Human Resource Management. Second Edition. Edward Elgar Publishing. 2018.

Felix C. Brodbeck: Die Suche nach universellen Führungsstandards: Herausforderungen im globalen Dorf. Aus: www.wirtschaftspsychologie-aktuell.de. https://www.wirtschaftspsychologie-aktuell.de/files/WPa_1-08_Brodbeck.pdf.

Hartmut Volk: Der neuralgischen Punkte der Führung. Interview mit Wolfgang Mayrhofer. In: Der Standard, 30. 8. 2013. https://www.derstandard.at/story/1376535163412/die-neuralgischen-punkte-der-fuehrung.

o. A.: How Cultural Factors Affect Leadership.  Aus: knowledge.wharton.upenn.edu. Jul 23, 1999. https://knowledge.wharton.upenn.edu/article/how-cultural-factors-affect-leadership/.

Cornelius N. Grove: Introduction to the GLOBE Research Project on Leadership Worldwide. Aus:
www.grovewell.com. https://www.grovewell.com/wp-content/uploads/pub-GLOBE-intro.pdf.

Anne Karin Klein: Entwicklung und Überprüfung eines Kontingenzmodells der kulturbewussten Mitarbeiterführung. Eine Führungsanleitung für deutsche Führungskräfte in interkulturellen Führungssituationen. Dissertation, Universität Bayreuth. 2008

Führungs-Ideale

Mayrhofer / Furtmüller / Kasper (Hrsg.): Personalmanagement – Führung – Organisation, Kap. 5.2. (Idealerwartungen gegenüber Führung in unterschiedlichen Kulturen), S. 39 f. ,

Weibler, J./Brodbeck, F. C./Szabo, E./Reber, G./Wunderer, R./Moosmann O. (2000): Führung in kulturverwandten Regionen: Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei Führungsidealen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In: Die Betriebswirtschaft (DBW), 60 (5), 588-606,

Jürgen Weibler: Werthaltungen junger Führungskräfte,   S. 57 ff.

 

Führungs-Fehler

Hartmut Volk: Diese Fehler sollten Chefs nicht machen. Aus: beschaffung-aktuell.industrie.de. https://beschaffung-aktuell.industrie.de/allgemein/diese-fehler-sollten-chefs-nicht-machen/. (Interview mit Coverdale-Geschäftsführer Weegen).

 

Stanford-Prison-Experiment („S.P.E.“) – Philip Zimbardo

Philip G. Zimbardo: Die Psychologie des Bösen ;

Claudia DreifusFinding hope in knowing the universl capacity for evil. Aus: www.nytimes.com. 3. 4. 2007. https://www.nytimes.com/2007/04/03/science/03conv.html. (A conversation with Philip G. Zimbardo)

Philip G. Zimbardo: Doktor Evil ;

Philip G. Zimbardo: Wir alle sind verführbar (nicht mehr online).

Hasel: Das Experiment vor Abu Ghraib)

Film „Das Experiment“ (vgl. Das Experiment-imdb)

 

Milgram-Experiment von Stanley Milgram

Milgram, Behavioral Study of Obedience;

vgl. auch Stangl, Die Milgram-Experimente)

 

Experiment „The Third Wave“ von Ron Jones / die Welle

Third Wave / die Welle

Jones, Learning from The Third Wave

der zugehörige Film „Die Welle“ (vgl. Die Welle-imdb)

 

Kultur-Dimensionen (und Führung)

Ertler, Kulturdimensionen

Welpe, Management education and training

Grove, GLOBE Research Project on Leadership

o. A.: EMICs and ETICS of Culturally-Endorsed Implicit Leadership Theories: Are Attributes of Charismatic/ Transformational Leadership Universally Endorsed? (Paper)

 

Querverweise

Soziale Nähe zu Mitarbeiter_innen?.

Erwartungsmanagement und der psychologische Vertrag.

  1. Ich verdanke Hinweise zu dieser Studie o. Prof. Dr. Wolfgang Mayrhofer, an der Wirtschaftsuniversität Wien, der an dieser Studie beteiligt war. Vgl. dazu auch Hartmut Volk: Der neuralgischen Punkte der Führung. Interview mit Wolfgang Mayrhofer
  2. Vgl. o. A. Cultural Factors
  3. Vgl. Grove, GLOBE Research Project on Leadership
  4. in 10 ‚Societal Clusters‘ mit 9 Kultur-Dimensionen auf der Basis des Kulturkonzepts von Geert Hofstede, vgl. Towers, Kultur
  5. vgl. z. B. Ertler, Kulturdimensionen
  6.   Vgl. Welpe, Management education and training
  7. Die GLOBE-Studien fanden jedoch auch heraus, dass es kulturspezifische Merkmale dafür gibt, was Führung fördert oder hindert. (Vgl. Grove, GLOBE Research Project on Leadership). Was in der einen Kultur als Führungsstärke angesehen wird, kann in einer anderen Kultur als Schwäche oder Hindernis gesehen werden. Sie wurden in einem Paper: “EMICs and ETICS of Culturally-Endorsed Implicit Leadership Theories: Are Attributes of Charismatic/ Transformational Leadership Universally Endorsed?” zusammengefasst.
  8. Vgl. zu diesen Führungs-Idealen und zur GLOBE-Studie insgesamt die Literatur am Ende des Beitrags sowie Mayrhofer / Furtmüller / Kasper (Hrsg.): Personalmanagement – Führung – Organisation, Kap. 5.2. (Idealerwartungen gegenüber Führung in unterschiedlichen Kulturen), S. 39 f. Weibler, J./Brodbeck, F. C./Szabo, E./Reber, G./Wunderer, R./Moosmann O. (2000): Führung in kulturverwandten Regionen: Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei Führungsidealen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In: Die Betriebswirtschaft (DBW), 60 (5), 588-606, Jürgen Weibler: Werthaltungen junger Führungskräfte,   S. 57 ff.  
  9.   Vgl. einige Parallelen in einer Coverdale-Studie. Dort wurde nach Verhaltensweisen gefragt, die auf Mitarbeiter ganz besonders nervtötend wirken. Vgl. dazu: Hartmut Volk: Diese Fehler sollten Chefs nicht machen. (Interview mit Coverdale-Geschäftsführer Weegen).
    Coverdale beschreibt 10 Verhaltensfehler von FK (…“die Mitarbeiter zuverlässig zu Betriebsstatisten machen“):
    1. Die Sucht, alles selbst zu bestimmen
    2. Geheimniskrämerei
    3. Schrittgröße (Ausspielen der MA)
    4. Unberechenbarkeit
    5. Sprunghafte Zielwechsel
    6. Taube Ohren
    7. Konfliktscheu
    8. Misstrauen
    9. Klugscheißerei
    10. Selbstbeweihräucherung.  
  10. Über die Wirkung autokratischer Strukturen und Verhaltensweisen berichtet das klassische Stanford-Prison-Experiment („S.P.E.“) von Philip Zimbardo (vgl. Zimbardo, Die Psychologie des Bösen; Zimbardo, Finding Hope; Zimbardo, Doktor Evil ; Zimbardo, Wir alle sind verführbar (nicht mehr online). Hasel: Das Experiment vor Abu Ghraib), das auch in filmisch im Film „Das Experiment“ (vgl. Das Experiment-imdb) basierend auf einem Roman von  umgesetzt wurde) .  Auch das Milgram-Experiment von Stanley Milgram (Vgl. Milgram, Behavioral Study of Obedience; vgl. auch Stangl, Die Milgram-Experimente) hat autokratische Strukturen und Verhaltensweisen zum Gegenstand, wie auch das Experiment „The Third Wave“ von Ron Jones (vgl. Jones, Learning from The Third Wave und der zugehörige Film „Die Welle“ (vgl. Die Welle-imdb)
  11. Aus Grove, GLOBE Research Project on Leadership
  12. Vgl. auch House et al. Cultural Influences

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