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Schwierige Mitarbeiter, eine Herausforderung vieler Führungskräfte.

Der Ausgangspunkt

Meine Erfahrung ist, dass viele Führungskräfte unter ein oder wenigen Mitarbeiter_innen leiden. Wenn ich mir die Berichte dieser Führungskräfte anhören, dann scheint es mir, als würde es sich immer um die gleichen Mitarbeiter_innen handeln, vielleicht ist es auch nur eine, die ständig die Führungskraft wechselt :-). Diese Mitarbeiter_innen erfüllen ihre Aufgaben nicht, vergiften das Teamklima, „führen sich auf“, verhalten sich schrecklich, werden ausfällig, lassen keinen Konflikt aus, haben es darauf abgesehen, der Führungskraft das Leben schwer zu machen. Sie akzeptieren ihre Führungskraft nicht, verbreiten Gerüchte, die nicht stimmen, beschweren sich beim Betriebsrat oder beim Chef der Führungskraft, übergehen die Führungskraft und gehen mit ihren Anliegen zu dessen Chef usw.1

Welche Mitarbeitergruppen werden von vielen Führungskräften als „schwierig“ erlebt?

Prinzipiell sind für viele Führungskräfte jene Mitarbeiter schwierig, die Unterschiede zur eigenen Person aufweisen: im Alter, in der Qualifikation, in der Persönlichkeitsstruktur, in Einstellungen, in der Nationalität / Sprache, im Geschlecht,  … Man kann diese Unterschiede als Diversität auffassen, als Unterschiede, die die Führungskraft oder das Team ergänzen, aber auch als Störung, die den „normalen Ablauf“ und die Gewohnheiten stören. Beispiele dafür sind

  • Mitarbeiter, die wesentlich älter als die Führungskraft sind, einer früheren Generation bzw. ‚Bevölkerungskohorte‘ angehören. Dies wird aus meiner Erfahrung besonders häufig von Führungskräften am Beginn ihrer Führungslaufbahn erlebt.
  • Mitarbeiter, die wesentlich jünger als die Führungskraft sind, einer späteren Generation bzw. ‚Bevölkerungskohorte‘ angehören. Dies wird aus meiner Erfahrung besonders häufig von erfahrenen Führungskräften erlebt. Sie verstehen die Jungen nicht mehr, akzeptieren deren Werthaltungen nicht. Dies wird häufig unter dem Titel „Führung der Generation Y“ diskutiert.
  • Mitarbeiter, die eine wesentlich längere Betriebszugehörigkeit aufweisen als die Führungskraft („hat ein besseres Standing im Unternehmen als ich“, „hat Beziehungen nach oben oder in andere Abteilungen und nützt diese“, „lässt mich auflaufen“, „akzeptiert mich nicht als Führungskraft“)
  • Mitarbeiter, die eine wesentlich geringere Betriebszugehörigkeit aufweisen: „Kennt sich nicht aus, verletzt Regeln bzw. Tabus des Unternehmens, tritt in jedes Fettnäpfchen, eckt überall an, …“
  • Mitarbeiter mit einer höheren Qualifikationen bzw. mehr Erfahrung („lässt mich dumm aussehen“, „weist mir Fehler nach“, „lässt mich anrennen“, …)
  • Mitarbeiter mit einer deutlich unterschiedlichen Persönlichkeitsstruktur. Die Andersartigkeit / Diversität wird nicht als Bereicherung sondern als Behinderung erlebt.
  • Mitbewerber: Mitarbeiter, die sich auch für die Funktion als Führungskraft beworben haben, aber nicht genommen wurden.
  • Mitarbeiter mit unverarbeiteten Verletzungen durch vorige Führungskräfte (z. B. „mir wurde die Stellvertreter-Funktion versprochen, aber das Versprechen wurde nicht gehalten“)
  • Mitarbeiter, die in der Vergangenheit von einer Führungskraft geprägt wurden, die einen völlig anderen Führungsstil hatten (z. B. die vorige Führungskraft hatte eine autoritär-direktiven Führungsstil und verlangte widerspruchslose Akzeptanz der Anweisungen, die neue Führungskraft hat einen kooperativ-partizipativen Stil und verlangt selbständiges Denken und Handeln.) Einstellungen, die bisher gepasst haben, passen jetzt nicht mehr.
  • Mitarbeiter, die nicht zum Team passen, bzw. vom Team abgelehnt werden.

Hintergrund / mein Verständnis

Ich gehe davon aus, dass jeder Mitarbeiter nur für bestimmte Führungskräfte schwierig ist. Es gibt zwar Mitarbeiter, die für sehr viele Führungskräfte schwierig erscheinen und man ist versucht sie als „grundsätzlich schwierig“ einzustufen, ich habe jedoch schon erlebt, dass Mitarbeiter, die schon sehr viele Führungskräfte in der Vergangenheit zur Verzweiflung gebracht haben nach einer Versetzung bei einer neuen Führungskraft plötzlich aufgeblüht sind. Also kann man davon ausgehen, dass meist beide Seiten Anteile an den auftretenden Schwierigkeiten haben.

Ein Beispiel: Die Assistentin des Regionalleiters einer Bank, war eine sehr selbstbewusste Frau in mittlerem Alter. Der Regionalleiter schätzte sie als „fachlich sehr gut“ ein („Sie kennt sich wirklich überall aus“), kam jedoch trotzdem – wie seine Vorgänger – nicht gut mit ihr aus. („Sie hat zu allem eine eigene Meinung, weiß alles besser, ist sehr schwer zu überzeugen, kostet mich viel Kraft und Zeit, …“). Eine neue Filialleiterin, die von außen kam, suchte eine Stellvertreterin, die sich mit den ‚Gewohnheiten des Hauses‘ auskennen sollte. Die Assistentin wechselte zu ihr und wurde für die Filialleiterin sehr wertvoll („Sie ist die beste Mitarbeiterin, die ich je hatte“) – ein Beispiel für gelungenes komplementäre Führung, eines Leadership Teams mit ergänzenden Führungskompetenzen. Als sich nach mehreren Jahren diese Stellvertreterin (in der Beraterbranche) selbständig machte, sagte auch sie 2„Die beste Führungskraft, die ich je hatte“.

Dieses Beispiel drückt auch meine Überzeugung aus, dass die meisten Mitarbeiter nicht „an sich“ schwierig sind, sondern nur für bestimmte Führungskräfte . So werden z. B. ältere Mitarbeiter von vielen jungen Führungskräften als schwierig erlebt, vor allem beim Übergang vom Mitarbeiter zur Führungskraft.

Erster Schritt: Selbstreflexion

Diese Ansicht, dass die Führungskraft auch eigene Anteile an der gemeinsamen Schwierigkeit haben, wird jedoch von vielen Führungskräften nicht geteilt. Sie sehen „ihren Mitarbeiter“ als absolut schwierig und nehmen sich dadurch aus der Verantwortung, über eigenes Verhalten und Erleben nachdenken zu müssen. Man könnte auch sagen: „Es wird alles auf den Mitarbeiter projiziert.“ Das ist mit ein Grund, warum Persönlichkeitsentwicklung für Führungskräfte so wichtig ist.“ Eine gute Führungskraft hat genügend Selbstreflexion und Selbsterfahrung gemacht, um die eigenen Projektionsmuster zu kennen und sorgfältig damit umzugehen.

Ein erster Schritt im Umgang mit schwierigen Mitarbeitern sollte daher sein:
Selbstreflexion: „Was könnten meine eigenen Anteile an der Schwierigkeit sein.“
Auch ein Gespräch mit dem eigenen Stellvertreter (den jede Führungskraft haben sollte), dem eigenen Chef oder einen „neutralen Dritten“ (Coach, Berater, ev. Freund, Partner, …) können da sehr hilfreich sein. Eine (Selbst-)Erkenntnis in diesem Bereich verringert sehr häufig die negativen Gefühle zu dem entsprechenden Mitarbeiter und erweitert die Handlungsalternativen der Führungskraft.

Zweiter Schritt: Analyse der Gesamtsituation

Bevor Aktionen gesetzt werden, ist es sinnvoll, sich die Gesamtsituation genauer anzusehen.Dies ist auch eine sinnvolle Vorbereitung auf das folgende Führungsgespräch mit der Mitarbeiter_in. Die geeigneten Tools sind Reflexion (‚Führungsreflexion‘), Analyse von Ergebnissen und Gespräche mit Dritten (Coach, eigener Chef, …). Handelt es sich um einfache Probleme, so kann dies im Rahmen einer Vorbereitung der Führungskraft auf das nachfolgende Gespräch erfolgen. Bei größeren Problemen ist eine umfangreichere Analyse sinnvoll bzw. notwendig.

Ein sinnvolle Struktur als Basis der Analyse bietet die Verhaltensformel von Lewin.
Liegen die Ursachen der Schwierigkeiten primär an der Person des Mitarbeiters – am Können (kognitive Elemente) oder Wollen (motivationale Elemente) des Mitarbeiters? Oder liegen sie mehr an der Situation, am Rahmen? Ist der Mitarbeiter richtig eingesetzt / hat er die ‚richtigen‘ Aufgaben? (Stärkenorientierte Führung) Hat er die passenden Hilfsmittel – IT, Handy, Tablet, …? Auch die Führungskraft selbst gehört zum Umfeld des Mitarbeiters: Inwiefern trage ich selbst zu den Schwierigkeiten bei.

Dritter Schritt: Intervention / Gespräche

Mit dem Hintergrund der Selbstreflexion und der Klärung der Gesamtsituation ist man als Führungskraft in der Lage, gute Gespräche mit dem Mitarbeiter zu führen, die im besten Fall zu einer Lösung führt, die für beide Teile passt. Dazu ist der Ablauf: Klärungsgespräch – Vereinbarungsgespräch – Nachfassgespräch – Abschlussgespräch sinnvoll.

Im Klärungsgespräch wird den Ursachen der Schwierigkeiten aus der Sicht des Mitarbeiters auf den Grund gegangen.

Im Vereinbarungsgespräch werden gemeinsam getragene Lösungen gefunden und vereinbart.

In den Nachfassgesprächen werden die Feinadjustierungen vorgenommen, wird an den kleinen Schrauben gedreht.

Das Ende, falls es ein Ende gibt

Der Prozess der Problemanalyse und Problemlösung sollte bewusst beendet werden, besonders, wenn er länger gedauert hat oder emotional schwierig war. Ein bewusstes Ende hat symbolischen Charakter und wirkt daher auch im Unbewussten.

Ist das Problem gelöst, wurde eine zufriedenstellende Lösung gefunden und nachhaltig realisiert, so ist ein Abschlussgespräch sinnvoll.

„Und wenn alles nichts nützt“

Zeigt sich in den Nachfassgesprächen, dass keine Lösung für die Probleme gefunden wird, so sind drei Alternativen möglich, zwei konstruktive und eine destruktive.

  • Mit der bestehenden problematischen Situation weiterleben.
    Wenn es nicht möglich oder sinnvoll ist, das Problem zu lösen, dann besteht eine Alternative „positiv“ mit den Problemen weiterzuleben. Damit ist nicht die resignative sondern die konstruktive, positive Variante des Weiterlebens mit dem Problem gemeint in dem Sinn: „Akzeptiere die Situation und mache das Beste daraus“. Das ist die Anwendung der ‚Formel‘ aus der Positiven Psychologie: „Change it – love it – leave it„.
  • Die Gespräche auf dem Eskalationspfad weiterführen
    Eine weitere Alternative besteht darin, den Weg der konstuktiven und kooperativen Lösung der Propleme zu verzichten und die Gespräche auf dem Eskalationspfad weiterzuführen, der schließlich dann doch zu einer Problemlösung führt oder zu einer Trennung (Versetzung, Kündigung).
  • Keine befriedigende Alternative ist es, aufzugeben, zu resignieren und einfach nichts zu tun, die Zügel schleifen zu lassen. Du würdest dem Mitarbeiter zeigen, dass du den ganzen Führungsprozess nicht ernst nimmst und dass bei Verfehlungen keine Konsequenzen zu erwarten sind. Wahrscheinlich würdest du dich weiter ärgern, die Interaktion mit dem betreffenden Mitarbeier würde dich viel Energie kosten oder du würdest vielleicht sogar dem Mitarbeiter aus dem Weg gehen und deine Führungsfunktion ihm gegenüber völlig vernachlässigen.

Ergänzende Hinweise

  • Ein Beispiel für ein Gespräch mit einem schwierigen Mitarbeiter‘ ist ein Gespräch mit einem Mitarbeiter, wenn die Aufgabenerfüllung inadäquat ist („… will nicht so, wie ich es will“)
  • Dieser vorgeschlagene Ablauf zum Umgang mit schwierigen Mitarbeitern bzw. zur Lösung der Probleme ist professionell, aber nicht erfolgs-garantiert. Wenn ein Mitarbeiter – aus welchen Gründen auch immer – nicht zur Lösung beitragen will oder kann, dann helfen die besten Führungstools nicht. Ich bin als Führungskraft verantwortlich für mein Tun, also bestmöglich vorzugehen. („Habe ich das Beste gemacht?“) Ich bin nicht verantwortlich für die Reaktionen des Mitarbeiters. Schließlich kann ich als Führungskraft nicht ‚zaubern‘.
  • Dieses Schema der Vorgangsweise bei schwierigen Mitarbeitern eignet sich aus meiner Erfahrung sehr gut im Coaching von Führungskräften.
  • Der professionelle Umgang mit ’schwierigen Mitarbeitern‘ ist wesentlicher Teil der Leadership Excellence, das vor allem im Rahmen des Paradigmas zur ‚transformationalen Führen‘ untersucht wurde.
  1.   Natürlich muss man dabei auch bedenken, dass es sich meist um die Schilderung der Führungskraft handelt. Und diese Schilderungen sind ‚Konstruktionen‘ aus der Sicht der Führungskraft, die meist die eigenen Anteile an den Problemen ausblendet. Ich führe das weiter unten aus. 
  2.   Weitere Hinweise zur komplementären Führung finden sich im Beitrag zu jungen Führungskräften mit älteren Mitarbeitern

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