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In einigen meiner Blogs wird auf die Positive Psychologie Bezug genommen, daher verfasse ich hier einen kleinen Orientierungs-Blog-Beitrag dazu.

Geschichte der Positiven Psychologie

„Es ist als ob Freud uns
die kranke Hälfte der Psychologie geliefert hat
und nun müssen wir sie ergänzen und auffüllen
mit der gesunden Hälfte.“
Abraham Maslow1

Abraham Maslow – Gründungsvater der Positiven und Humanistischen Psychologie

Als Begründer der Positiven Psychologie wird Abraham Maslow (1954) angesehen.2 3. Maslow kritisierte, dass die bisherige Psychologie-Forschung4 sich vor allem den negativen Seiten des Mensch-Seins zugewandt hatte.5 Anders die Positive Psychologie. Sie „befasst (demgegenüber) sich mit der großen Frage: was macht unser Leben besser, gesünder, glücklicher, lebenswerter.“6 Ihre Inhalte sind positive Lebensthemen wie z. B. Vertrauen, Geborgenheit, Optimismus, Glück, Verzeihen oder Solidarität.7

 

Martin Seligman 2012 University of Pennsylvania

Ralaunch: Martin Seligman

Der Relaunch der Positiven Psychologie wird Martin Seligman  zugeschrieben.8  Er stellte 40 Jahre später fest, dass „der Kuchen der Positiven Psychologie erst halb gebacken“ war und es neuen Anstrengungen bedarf, um das Gute im Menschen zu entdecken9.

Zwei Jahre davor (1992) war die viel diskutierte Studie der „Cross-National Collaborative Group“ veröffentlicht worden. In ihr wurden in unterschiedlichen Kulturen ein enormer Anstieg psychischer Krankheiten, vor allem Depressionen in neueren Geburts-Kohorten festgestellt. Auch sie trug zur Entwicklung der Positiven Psychologie bei.10

Weitere Gründungs-Väter der positiven Psychologie

In zahlreichen Artikeln zur Entwicklung der Positiven Psychologie wird auf weitere zentrale Vertreter verwiesen, die bedeutende Beiträge zu dieser Disziplin geschaffen haben.11

Federführend bei der von Seligman initiierten Studien zu Tugenden und Stärken war  Christopher Peterson, der Co-Autor von Seligman’s Stärken-Studie12. Er ist auch Gründer und wissenschaftlicher Direktor des VIA-Instituts zur Charakterforschung (VIA Institute on Character), in dem das bekannteste Diagnose-Instrument zur Stärken-Forschung entwickelt wurde. Peterson betonte  vor allem auch die soziale Dimension des positiven Erlebens. Sein Spruch „Other people matter“ ist legendär. 13

Ein weiterer Vertreter der Gründungs-Väter der positiven Psychologie ist der ‚Flow-Forscher‘   Mihaly Csikszentmihalyi .14 Bekannt geworden ist er mit seinem Buch „Flow“, in dem er das Flow-Erleben beschreibt, einen mentalen Zustand des Aufgehens in einer Aktivität, verbunden mit Vertiefung / Konzentration und einem erlebten Glücks-Gefühl. 15

Zweige und Weiterentwicklungen der positiven Psychologie

Derzeit gibt es zahlreiche

  • Zusammenfassungen16
  • aber auch  Äste und Weiterentwicklungen der positiven Psychologie, die unterschiedliche Bezeichnungen tragen und
  • von unterschiedlichen Institutionen gefördert werden.17

Bereits im Klassiker von Martin Seligman „Der Glücksfaktor“ werden (neben dem Zweig der Studien zu den Stärken) die Ergebnisse der Studien zur Erforschung der positiven Emotionen / Gefühle vorgestellt.18. Beide Zweige zusammen und auch andre Entwicklungen am Rande oder jenseits der Psychologie werden der Glücksforschung zugeschrieben. 19

Weiterentwicklungen von Seligman und der Forschergruppe um ihm geben Hinweise und Anleitungen zum ‚Erblühen des Lebens‘ (Flourishing)20

Ein anderer, umfassender Zweig der Positiven Psychologie21 ist die Psychologie des Wohlbefindens (wellbeing).  Ein grundlegendes Werk dazu stammt von Renate Frank: Wohlbefinden fördern. 22 23.

Frank gruppiert ihre Interventionen zur Förderung von Wohlbefinden in ‚(Lebens-)Wege‘:

  • Der vergnügliche Lebensweg (vor allem positive Emotionen aktivieren – genießen, positive Wahrnehmung, …)
  • Der engagierte Lebensweg (Lebensziele, Flow und Stärken / Tugenden entwickeln)
  • Der sinn-orientierte Lebensweg (das Leben positiv bilanzieren und Sinn stiften)

Diese drei Lebenswege könnten auch als Teil-Disziplinen der Positiven Psychologie bezeichnet werden.

Anwendungen der Positiven Psychologie

Derzeit gibt es zahlreiche Anwendungen der Positiven Psychologie, vor allem zur Persönlichkeits-Entwicklung, aber auch zur Pädagogik 24 und Entwicklung von Führungskräften25.

Kritik an der Positiven Psychologie

Die Positive Psychologie war auch Basis einer sehr breitflächigen Ausbildung in der US-Army. Sehr massive Kritik stößt sich daran, dass nach der Meinung von Kritikern  diese für Verhör-Methoden missbraucht wurde.26 . 27

Andere Kritiker nehmen auch an dem ihrer Meinung nach guru-haften Auftreten von Martin Seligman Anstoß.28 Die vielleicht größte Kritik an Seligman kommt wahrscheinlich daher, dass er für die US-Army aus seinem Ansatz der erlernten Hilflosigkeit Foltermethoden für Guantanamo entwickelt hat (Herstellungsmöglichkeiten von erlernter Hilflosigkeit durch „weiße Folter„.29

Querverweise

Strength Spotting – Stärken aufspüren zu zweit.

Positive Beziehungen im Unternehmen aufbauen – Erkenntnisse aus der Paar-Therapie.

Selbstentwicklung in persönlichen Krisen. (Positive Desintegration, Übungen, Positive Emotionen).

Kommunikations-Sünden und -Tugenden. (Positive Beziehungen, ACR (Active Constructive Response)

Werte und Führung: Moralische Dilemmata und ethische Führung. Positives Mitarbeiter-Verhalten („OCBS“ – Organizational citizenship behaviors)

 

Zusätzliche Links und Literatur

Positive Psychologie

Yann SeyrerOptimalregulation. epubli. Berlin. 2012.

 

Positive Führung

Joyce E. Bono, Remus Ilies:  Charisma, positive emotions and mood contagion. The Leadership Quarterly. 17 (4), 2006, S. 317–334. Aus: ScieceDirect.  doi: 10.1016/j.leaqua.2006.04.008. https://reader.elsevier.com/reader/sd/pii/S104898430600035X?token=96C424073560EE4FCE62A5D03E9F395D27654B853A576861CB6E4B01AFE7B8928D73E41A19A888AC7967272CD2CF32BF.  (full text) (auch in:  APA PsycNETdeepdyve. )

Ronald H. Humphrey, Gerald F. Burch, Laural L. Adams: The Benefits of Merging Leadership Research and Emotions Research. Published online 2016 Jul 6.. 2016; 7: 1022. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2016.01022/fulldoi:  10.3389/fpsyg.2016.01022.

Marco Furtner, Urs Baldegger: Self-Leadership und Führung: Theorien, Modelle und praktische Umsetzung. Springer-Verlag 2016.

Jörg Felfe: Trends der psychologischen Führungsforschung: Neue Konzepte, Methoden und Erkenntnisse. Hogrefe Verlag, 2014.

Rainhart Lang, Irma Rybnikova: Aktuelle Führungstheorien und -konzepte. Springer-Verlag, 23.10.2013.

 

Diverse

  1.   zitiert aus: o. A.: Forum für Psychosynthese.  
  2.   Abraham Maslow: Motivation and personality ,   Abraham Maslow: Toward a psychology of being,    Abraham Maslow: The Maslow Business Reader 
  3.   Abraham  Maslow ist auch Begründer der Humanistischen Psychologie  – vgl. den Blog-Beitrag personen-zentrierte Kommunikation. Vgl. auch  JoaquínWho is Abraham Maslow and What are His Contributions to Psychology 
  4.   auch als „herkömmliche konflikt- und störungs-orientierte Psychologie“ bezeichnet. vgl.  Lisa Laurenz: Ressourcen entdecken – Stärken entwickeln 
  5.    „science of psychology has been far more successful on the negative than on the positive side. It has revealed to us much about man’s shortcomings, his illness, his sins, but little about his potentialities, his virtues, his achievable aspirations, or his full psychological height. It is as if psychologluntarily restricted itself to only half its rightful jurisdiction, the darker, meaner half” (Abraham Maslow: Motivation and personality S. 354, zit aus Shane J. Lopez and Matthew W. Gallagher: A Case for Positive Psychology ) aus Shane J. Lopez any C. R. Snyder (eds.):   The Oxford Handbook of Positive Psychology  .“ 
  6.   Lisa Laurenz: Ressourcen entdecken – Stärken entwickeln. Die Ziele der positiven Psychologie
  7.   ebenda
  8.  Martin Seligman:  Der Glücks-Faktor: Warum Optimisten länger leben engl. Authentic Happiness
  9.   Shane J. Lopez and Matthew W. Gallagher: A Case for Positive Psychology
  10.   vgl. Judith Mangelsdorf: Wie entstand die Positive Psychologie? Die Studie:  Cross-National Collaborative-Group (1992). The changing rate of major depression: Cross-national comparison. JAMA, 268, 3098-3105.  
  11.   Vgl. z. B.. Vgl. Judith Mangelsdorf: Wie entstand die Positive Psychologie? , Franz-Josef Hücker and Margot Jung:  „Update on Positive Psychology” , Shane J. Lopez and Matthew W. Gallagher: A Case for Positive Psychology 
  12.   Dabei wurde ein Stärken-Diagnosebogen entwickelt, der „VIA-IS“ (Values-in-Action – Inventory of Strength), vgl.  dazu: VIA-IS  Character Strengths and Virtues: A Handbook and Classification, by Christopher Peterson & Martin E.P. Seligman,Peterson, C., & Seligman, M.E.P. (2002). The VIA classification of strengths. Cincinnati: Values in Action Institute  
  13.   vgl.  Christopher Peterson: Other People Matter, DGPP, Peterson 
  14.   Vgl. Judith Mangelsdorf: Wie entstand die Positive Psychologie? 
  15.   Mihaly Csikszentmihalyi vgl. ‚The Pursuit of Happiness 
  16.   vgl. z. B. FAQ zur Positiven Psychologie in Jer Clifton: Top 10 Questions on Positive Psychology, deutsch zusammengefasst und ergänzt in: Michael Tomoff: Was ist Positive Psychologie? 10 Fragen, 10 Antworten 
  17.   Im deutschsprachigen Raum widmet sich vor allem die Deutsche Gesellschaft für Positiv-Psychologische Forschung e. V. (DGPPF) der Erforschung und Weiterentwicklung der Positiven Psychologie 
  18.  Martin SeligmanDer Glücks-Faktor: Warum Optimisten länger leben
  19.   Zur (psychologischen) Glücksforschung, der Erforschung des Glücks-Empfindens vgl. Uwe Hartmann, Udo Schneider, Hinderk Emrich: Auf der Jagd nach dem Glück. 
  20.   Martin Seligman: Flourish – Wie Menschen aufblühen: Die Positive Psychologie des gelingenden Lebens, engl. Flourish: A Visionary New Understanding of Happiness and Well-being 
  21.   Man könnte sie auch als andere Bezeichnung für die Positive Psychologie ansehen
  22.   Renate Frank: Wohlbefinden fördern. Positive Therapie in der Praxis. Klett-Kotta
  23.   vgl. auch den Basis-Reader von Fritz Strack, Michael Argyle and Norbert Schwarz (eds.):  Subjective Well-Being. An interdisziplinary Perspective. Pergamon 1991
  24.   Zur Anwendung der Positiven Psychologie in Grundschulen vgl. Peter RuitBewusstwerden und Entwicklung von Kernqualitäten in Grundschulen , ein guter podcast zur Anwendung der Positiven Psychologie im Bildungsbereich stammt von Brohm-Badry: Lust zu Lernen: Die Grundlagen der Positiven Psychologie 
  25.   Einige deutschsprachige Links zur Positiven Psychologie und ein Hinweis zum ‚positive leadership-Konzept‘ finden sich in: Jörg Felfe: Trends der psychologischen FührungsforschungRainhart Lang, Irma Rybnikova: Aktuelle Führungstheorien und -konzepte. o.A: Positive Psychologie   
  26.   vgl.  Vlad Georgescu: US-Armee setzt Psychiater als Verhör-Ausbilder ein 
  27.   vgl.  auch Jana Hauschild: Die Folter-Psychologen  
  28.   Vgl. z. B. Burkhard Straßmann: Im Herzen der Sekte. Ein schrecklich harmonischer Tag mit Glücksguru Martin Seligman. 
  29.   Vgl. z. B. Yann SeyrerOptimalregulation. S. 57 ff.

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