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Das ‚Love Lab‘: In 5 Minuten ist klar, ob sich ein Paar scheiden lassen wird

John Gottman (Autor der Apokalyptischen Reiter) und seine Frau

John Gottman, ein US-amerikanischer Psychologe ist vor allem bekannt geworden, weil er Scheidungen schon sehr früh (nach der Hochzeit) vorhersagen kann. In seinem legendären ‚Love Lab‚ („Liebes-Labor“) hat  er eine Methode entwickelt, mit der mit 91 % Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden kann, welche neu verheirateten Paare verheiratet bleiben und welche nach 4 – 6 Jahren geschieden sein werden – so seine Behauptung. Und er kann das, nachdem er nur 5 Minuten lang in seinem Ehelabor (mit Einwegspiegeln) zugeschaut hat.1

„Das heißt, dass in 91 % der  Fälle, in denen ich vorhergesagt hatte, das die Ehe eines Paares erfolgreich sein oder scheitern würde, ich im Laufe der Zeit recht behalten habe. Diese Vorhersagen habe ich nicht aus dem Gefühl heraus oder nach vorgefassten Prinzipien darüber, wie eine Ehe aussehen sollte, getroffen, sondern aufgrund der Daten, die ich während vieler Jahre der Forschung gesammelt habe.“ 2

Emotionale Intelligenz in Beziehungen

Es ist nicht gesagt, dass instabile Paare mehr streiten als Paare in stabilen Beziehungen. Stabile Paare verfügen nur über mehr Intelligenz, und zwar Intelligenz emotionaler Art.

„Glücklich verheiratete Paare .. haben in ihrem Alltag eine Dynamik entwickelt, die verhindert, dass die negativen Gedanken und Gefühle (die es bei allen Paaren gibt) die positiven überdecken. Sie führen, wie ich es nenne eine von emotionaler Intelligenz getragene Ehe.“ .. „Je größer die emotionale Intelligenz eines Paares ist, je besser die Partner einander und ihre Ehe verstehen, ehren und respektieren können, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie wirklich bis an ihr Lebensende gemeinsam glücklich sein werden.“2

Einer der entscheidenden Unterschiede zwischen stabilen und instabilen Beziehungen – und das gilt für alle Beziehungen – ist es dass stabile Paare den Wert ihrer Beziehung erkennen. Instabile Paare erkennen oft erst nach der Trennung, was sie verloren haben und bedauern oft im Nachhinein ihre Entscheidung.

„Einer der traurigsten Gründe, warum eine Ehe stirbt, ist, dass keiner der Partner ihren Wert erkennt, ehe es zu spät ist.“2

Die Folgen instabiler Beziehungen

Dabei sind die Folgen misslingender Beziehungen beträchtlich, sowohl für die direkt Betroffenen als auch für andere. Es wurden Auswirkungen auf die Gesundheit und auf die Lebensdauer in Studien bestätigt.

„Wir haben Forschern wie Lois Verbrugge und James House, beide an der University of Michigan, die Erkenntnis zu verdanken, dass eine unglückliche Ehe die Gefahr zu erkranken um ungefähr 35 % erhöht.“ …„Menschen, die verheiratet bleiben, leben vier Jahre länger als Menschen, die sich scheiden lassen.“2

Handelt es sich bei der Beziehung um Eltern, so sind auch Kinder betroffen:

„… zeigen Kinder aus Familien, in denen zwischen den Eheleuten Feinseligkeit herrschte .. erhöhte Werte an Stress-Hormonen.“

Gottman kritisiert auch, dass die Gordon-Methode des aktiven Zuhörens und der Ich-Botschaften zu relativ geringen Erfolgen in der Paar-Therapie führt. „Glückliche Paare wenden diese Methoden nur selten an.

„Auch glücklich verheiratete Paare schreien sich manchmal an – laute Diskussionen müssen einer Ehe nicht schaden.“

John Gottman zeigt einerseits Probleme von Kommunikation und Beziehungen auf, er nennt sie die Apokalyptischen Reiter und er bringt zahlreiche Vorschläge zur Verbesserung, z. B. in den Geheimnissen einer guten Beziehung.

Die 7 Geheimnisse einer glücklichen Ehe

Die 7 Geheimnisse einer glücklichen Ehe sind die Geheimnisse jeder Beziehung. Sie sind auch die Basis zur Überwindung der Kommunikations-Sünden.

Glückliche Paare sind laut Gottmann in 7 Punkten sehr ähnlich:

„Ich beobachtete Hunderte von Paaren, bis ich schließlich das Geheimnis dieser emotional intelligenten Ehen entdeckte: Keine zwei Ehen gleichen einander, doch je genauer ich mir glückliche Ehen anschaute, desto deutlicher wurde, dass sie sich in sieben bedeutenden Aspekten sehr ähnlich waren.“2

Das Grundprinzip dahinter ist: Freundschaft statt Kampf: Das beinhaltet auch: Wenn Paare streiten haben sie ein Repertoire von Rettungsversuchen, die verhindern, dass die Negativität außer Kontrolle gerät. Außerdem teilen sie ein Gefühl der Sinnhaftigkeit.

Diese 7 Punkte sind: 7

  1. Die Landkarte des Partners auf den neuesten Stand bringen.
    Was liebt mein Partner, was will er, was braucht er? Aufmerksamkeit im Alltag.
  2. Pflegen der Zuneigung und Bewunderung füreinander.
  3. Zuwendung als Grundlage für die emotionale Verbindung.
  4. Männer behandeln ihre Frauen mit Respekt.
  5. Lösbare Probleme lösen.
  6. Überwinden von Patt-Situationen.
  7. Einen gemeinsamen Sinn machen.

Das Balance Modell

Das Balance-Modell von Gottman besagt, dass positive und negative Interaktionen in Beziehungen in Balance stehen müssen, um stabile (und glückliche) Partnerschaften und andere Beziehungen leben zu können.

Negative Interaktionen: Die vier apokalyptischen Reiter

Negative Interaktionen bezeichnet Gottman als „apokalyptische Reiter„. Kritik, Abwehr, Verachtung und Rückzug vergiften das Klima und gefährden Beziehungen.

Balance: Die Gottman-Konstante

Das Balance-Modell von Gottman besagt, dass jede negative Interaktion, d. h. jede Beleidigung, jede Abwertung, jede Kommunikations-Sperre, jede kleine Giftspritze durch einen apokalyptischen Reiter fünf positive braucht, um ihre negative Wirkung auszugleichen und eine stabile Beziehung aufrecht zu erhalten. („Gottman-Konstante 5:1“ 8. Das gilt für jede Paar- /Ehe-Beziehung, gilt jedoch auch in ähnlicher Form für andere Beziehungen, z. B. für Führungskraft-Mitarbeiter-Beziehungen.

Das Beziehungs-Konto

Um Balance, dieses Gleichgewicht oder Ungleichgewicht darzustellen, verwendet Gottman das ‚Emotional Bank Account9, das (emotionale) Beziehungskonto. Positive Interaktionen gehen ins Soll, sind Einzahlungen auf dieses Konto. Gottman nennt sie „Beziehungsangebote“ (bids for connection„).10 Angebote sollten so formuliert werden, dass sie beim Anderen ankommen, dass z. B. folgende Botschaften vom Anderen ‚gehört‘ werden:11

  • Ich bin an dir interessiert.
  • Ich höre dich.
  • Ich verstehe dich, zumindest möchte ich das.
  • Ich bin an deiner Seite.12
  • Ich möchte dir gerne helfen (ob ich es kann oder nicht).
  • Ich möchte bei dir sein, ob ich es kann oder nicht.
  • Ich akzeptiere dich grundsätzlich als Mensch (auch wenn ich nicht all deine Verhaltensweisen akzeptieren kann).

Zu den Angeboten gehören auch nonverbale „Bids“, z. B.

  • Angenehme oder zärtliche Berührung (Affectionate touching), z. B. ein Händedruck, eine Berührung am Arm oder an der Schulter.
  • Gesichtsausdruck (Facial expression), z. B. Lächeln, freundliche Mimik / Grimassen
  • Spielerische Berührung (Playful touching), z. B. ein sanfter Schubs
  • Verbindende Gesten (Affiliating gestures), z. B. Türe öffnen, Platz anbieten, Kaffee anbieten, …
  • Stimmliche Ausdrücke (Vocalizing), z. B. Lachen, „mhm“, „oh“, …

Die Forschungs-Methode: Mikro-Mimik

Gottmans Ansatz zur Erforschung von Paaren beruht auf der Analyse der Mikro-Mimik bzw. Mikro-Expressionen . Mikroexpressionen wurden ursprünglich bei der (filmischen( Analyse von Therapie-Sitzungen erforscht und eingesetzt.13 In den Studien wurden feine (Mikro-)Bewegungen als Ausdruck psychischer Dynamik gesucht und analysiert.14  Gefunden wurden ‚interaktionale Mikrobewegungen‚, wobei in den Filmen oft Bild für Bild analysiert wurden. .15. Paul Ekman und Wallace Friesen erstellten aufgrund dieser Studien ein Kodierungs-Schema für emotionale Gesichtsausdrücke, das Facial Action Coding System (FACS), es erfasst auch die Dynamik der Ausdrucksmuster.16 17 18

Das Wizard-Projekt

Bekannt geworden ist im Rahmen dieser Studien vor allem das ‚Wizards-Projekt‚ an der University of California, San Francisco von Paul Ekman und Mareen O’Sullivan: Können Menschen an der Mimik von Anderen erkennen, dass sie lügen? Nur sehr wenige können das, stellte sich heraus. In der Studie waren es 50 von 20.000, sie wurden „Truth Wizards“ (Wahrheits-Zauberer) genannt. Truth Wizards hatten die Fähgkeit (unter anderem) aufgrund der Mikro-Expressionen (-Mimik) Lügen zu erkennen. 19 Die Studien wurden allerdings auch kritisiert und es entstand eine heftige Diskussion um die Gültigkeit dieser Mikro-Expressionen. 20 21

Anhang: Kritik versus Beschwerde

Gottman schlägt vor, um die negativen Wirkungen von Konflikten zu vermeiden, Kritik durch Beschwerden zu ersetzen. Die Tabelle vergleicht beide Formen.22

Man erkennt: Die Beschwerde entspricht weitgehend der Ich-Botschaft, die Kritik der Du-Botschaft.

Querverweise:

Links zu weiteren Teilen des Gottman-Modells
Überblick

Überblick über alle Beiträge zu diesem Thema der wertschätzenden Kommunikation und der Kommunikations-Sünden

Einzelthemen

Ergänzende Links und Literaturhinweise

Roland Kachler: Die Therapie des Paar-Unbewussten. Ein tiefenpsychologisch-hypnosystemischer Ansatz. Stuttgart, Klett-Kotta 2015 (Interessantes Buch zur Erforschung unbewusster Prozesse in Paar-Beziehungen und wie diese in Paar-Therapien umgesetzt werden können. – Besprechung von Tillmann Moser: Ein Zauberkünstler der Paartherapie.)

Homepage der Paul Eckman Group: (Hinweise zu Trainings im Erkennen von Mikro-Expressionen).

Karl Kreichgauer: Die apokalyptischen Reiter. Aus: liebewohl.de. https://www.liebewohl.de/inhalt/krisen_apokalyptische_reiter.htm.

Sigrid Sonnenholzer: 5 Dinge, die glückliche Paare nie zueinander sagen – selbst wenn es kracht. aus forcus.de. 21.12. 2019. https://www.focus.de/familie/eltern/tipps-von-der-paartherapeutin-5-dinge-die-glueckliche-paare-nie-zueinander-sagen-auch-nicht-im-streit_id_10290205.html.

  1.   Vgl. auch den Beitrag: Worüber Paare regelmäßig und ausführlich reden sollten – dort wird auch das Instrument des ‚intimen Gesprächs‚ von  Gottman berichtet. 
  2.   Vgl. John M. Gottman: Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe, Kap. 1
  3.   Vgl. John M. Gottman: Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe, Kap. 1
  4.   Vgl. John M. Gottman: Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe, Kap. 1
  5.   Vgl. John M. Gottman: Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe, Kap. 1
  6.   Vgl. John M. Gottman: Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe, Kap. 1
  7.   Vgl. Maria Brohl: Buchbesprechung 
  8.   Vgl. Gottman: Research. Vgl. auch Jochen Peichl: Destruktive Paarbeziehungen. Das Trauma intimer Gewalt. Klett-Cotta, Stuttgart 2013, Ulrich Schmidt-Denter: „Scheidungskinder werden früher selbstständig“). Eine gute Zusammenfassung findet sich in Stangl: Gottman-Konstante. Vgl. auch The Magic Relationship Ratio, According to Science. Shruti S. Poulsen: A Fine Balance: The Magic Ratio to a Healthy Relationship 
  9.   Vgl. Invest in Your Relationship: The Emotional Bank Account,  
  10.   Zahlreiche Angebote zur Verbesserung von Beziehungen finden sich im Beziehungs-ABC: The Relationship Alphabet 
  11.   Vgl.  An Introduction to Emotional Bids and Trust 
  12.   Das bedeutet: „Ich stehe zu dir.“ – nicht jedoch: „Ich bin gegen eine andere Person.“ 
  13.   Haggard, E. A., & Isaacs, K. S. (1966). Micro-momentary facial expressions as indicators of ego mechanisms in psychotherapy. In L. A. Gottschalk & A. H. Auerbach (Eds.), Methods of Research in Psychotherapy. New York: Appleton-Century-Crofts, S. 154–165 
  14.   William. S. Condon: . Sound-Film Microanalysis: A Means for Correlating Brain and Behavior. In Frank Duffy and Norman Geschwind (Eds.), Dyslexia: A Neuroscientific Approach to Clinical Evaluation, Boston, MA: Little, Brown & Co.,1985, S. 123–156 
  15.   Vgl.  Ekman, P.: Weshalb Lügen kurze Beine haben: Über Täuschungen und deren Aufdeckung im privaten und öffentlichen Leben. Berlin: de Gruyter, 1989, biologie-seite: Mikroexpressionen 
  16.   Vgl. W. S. Condon, W. D. Ogston: Sound Film Analysis of Normal Pathological Behavior Patterns. In: The Journal of Nervous and Mental Disease: October 1966 – Volume 143 – Issue 4 – S. 338-347  
  17.   Vgl. auch das Interview mit Michaela Haas: „Mir entgeht kein Gesichtsausdruck“  , The Gottman Institute: Frequently Asked Questions  
  18.   Vgl. auch Guy Bodenmann, Jeannette Meyer, Gabriela Binz & Liliane Brunner: Eine deutschsprachige Replikation der Paartypologie von Gottman. 
  19. vgl. Gary McDonal: Lying and deceit – The Wizards Project. Granhag, Pär; Strömwall, Leid (2004). The Detection of Deception in Forensic Contexts. Cambridge University Press.
  20.   Kritik zur Studie finden sich in: Charles F. BondAhmet Uysal: On Lie Detection “Wizards”,   Bond, C. F. (2008), „Commentary: A few can catch a liar, sometimes: Comments on Ekman and O’Sullivan (1991), as well as Ekman, O’Sullivan, and Frank (1999)“. Applied Cognitive Psychology 22:1298–1300. Eine Replik zur Kritik findet sich in: Ekman, P., O’Sullivan, M. and Frank, M. (2008), „Reply scoring and reporting: A response to Bond (2008)“. Applied Cognitive Psychology 22:1315–1317.

    Ein Nachfolge-Expertiment stammt vom „Kritiker Bond“: Gary D.  Bond,  (2008). „Deception detection expertise“ Law and human behavior 32.

    Auch dazu gab es eine Stellungnahme bzw. Gegen-Kritik von O’Sullivan: O’Sullivan, Maureen. (2007). „Unicorns or Tiger Woods: are lie detection experts myths or rarities? A response to on lie detection „wizards“ by Bond and Uysal“. Law and human behavior 31 JSTOR 4499519 und auch in: Paul Ekman, Maureen O’Sullivan. Mark Frank: Reply scoring and reporting: A response to bond (2008) 

  21.   Weitere Hinweise zum Wizards Projekt:

    gute Zusammenfassung in wikipedia: Wizards Projekt, vgl. auch microexpression,  Julian Camillieri: Eyes for Lies  sowie: Truth Wizard knows, Maureen O’Sullivan: Lying and deceit – The Wizards Project 

  22.   Vgl. Karl Kreichgauer: Die apokalyptischen Reiter

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