Führen durch Fragen

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Zunächst ist der Titel irreführend „Führen durch Fragen“. Natürlich kann eine Führungskraft nicht nur durch Fragen führen. Man kann als Führungskraft durch „blödes Fragen auch verwirren, vor allem wenn dadurch bloße (falsche) Neugier oder ständige Unwissenheit oder Hilflosigkeit ausgedrückt wird. Nichtsdestotrotz ist Fragen ein ganz wichtiger Bestandteil von Führung und meine Erfahrung ist, dass viele Führungskräfte zu wenig  und nicht zu viel fragen und oft auch zu wenig kompetent (Verhörtechnik)

Zwei alte Sprüche verdeutlichen die Wichtigkeit von Fragen

  • Der erste stammt von Sokrates, ihn kennt fast jede Fürhungskraft: „Wer fragt der führt.“
  • Und der zweite stammt von Konfuzius: „Wer Fragen stellt ist ein Narr für einige Minuten, wer keine Fragen stellt, ist ein Narr für immer.“

Warum sollte ich als Führungskraft Fragen in meine Toolbox für Führung aufnehmen?

Zunächst ist es für Führungskräfte wichtig, ihre Mitarbeiter als Menschen  kennenzulernen. Ich sollte als Führungskraft um meine Mitarbeiter Bescheid wissen, wissen, was sie bewegt, was sie motiviert, welche Stärken sie haben, welche Ängste sie belasten, welche Persönlichkeit in ihnen steckt etc. Sonst kann ich einen wichtigen Teil meiner Führungsaufgaben, die ‚Menschenführung‘ nicht qualitativ gut bewältigen. Mitarbeiter sind eben nicht nur Funktionsträger sondern Menschen mit all ihren Besonderheiten, ihren Stärken und Schwächen, ihrer Verletzlichkeit, ihren Wünschen und Abneigungen, ihrer Persönlichkeit, ihrer persönlichen (oft schwierigen) Lebenssituation, ihren speziellen Sichtweisen, Arbeitsmethoden, Denkgewohnheiten usw. Eine ergänzende Methode zum Kennenlernen ist aufmerksames Beobachten.

Fragen helfen mir auch,  eine Balance zu finden   zwischen den Bedürfnissen der Mitarbeiter einerseits und den Anforderungen des Unternehmens und des Managements andererseits. („Match-Prozesse der Führung“ – blog geplant)

Außerdem sind Fragen der wichtigste Bestandteil von Klärungsgesprächen. (Link) Wenn ich nicht gut kann oder will, werden Klärungsgespräche nicht befriedigend verlaufen, ich werde nichts oder wenig erfahren. Dadurch ist die Problemlösungsfähigkeit der Führungskraft sehr eingeschränkt. Probleme bleiben bestehen, werden nicht verstanden und daher nicht gelöst. Ohne erfolgreicher Klärung (= Exploration) kommen keine beständigen Vereinbarungen zustande. Führungskräfte fühlen sich enttäuscht oder verärgert gegenüber ihren Mitarbeitern und sehen die Probleme bei den Mitarbeitern und nicht bei ihren eigenen (In-)Kompetenzen.

Zudem sind Fragen die Basis eines offenen Führungsdialogs auf Augenhöhe. Paul Watzlawick nennt das „symmetrische Kommunikation“ (von gleich zu gleich) im Gegensatz zur komplementären (von oben nach unten). vgl. Paul Watzlawick, Janet H. Beavin, Don D. Jackson: Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien. Hogrefe, 2016)

Fragen können Wertschätzung ausdrücken: „Es liegt mir etwas daran, dich als Menschen kennenzulernen, oder deine Meinung kennenzulernen, …“. Sie sind auch ein geeignetes Mittel, um die Beziehung zu den Mitarbeitern und damit das Führungsklima zu verbesseren

Neugier

Noch ein Wort zur Neugier: Zugegeben, es gibt auch negative Neugier: Wenn jemand völlig unpassend sehr persönliche Fragen stellt, vor allem, wenn man nicht weiß, was er damit bezweckt. Ich finde Neugier jedoch vor allem als Stärke. Auch in der „Positiven Psycholgie“  (in der Version von Martin Seligman) wird Neugier als (Charakter-)Stärke beschrieben. Sie gehört dort zur ‚Tugend‘ der Weisheit und des Wissens. (vgl. Seligman, Martin E. P.: Der Glücks-Faktor. Warum Optimisten länger leben. Lübbe 2005) Wer neugierig ist, kommt einfacher zu Weisheit und Wissen, als nicht-neugierige Menschen.

Neugier hilft mir auch, echtes Interesse an der Person der Mitarbeiter zur haben und zu zeigen und mit meinen Gefühlen konstruktiv umzugehen. Wenn mich echt interessiert, warum sich ein Mitarbeiter so verhält, wie er sich verhält, warum er so handelt, warum er sich über etwas ärgert, dann kann ich auch seine Interessen, seine  Sichtweise erkennen und brauche mich nicht mit Scheinerklärungen zufrieden zu geben. Und ich erlebe dann auch weniger negative Gefühle gegenüber ’schwierigen Mitarbeitern‘, weil ich ihn ja verstehen kann. Und Verstehen heißt nicht, auch einverstanden zu sein mit seinem Verhalten, seinen Ergebnissen usw. Ich kann sagen: „Ich verstehe dich, trotzdem muss ich dafür sorgen, dass …“ (z. B. dass du deine Aufgaben erledigst, Sicherheitsregelungen einhältst, ein bestimmtes Verhalten gegenüber Kunden zeigst usw.).

Fragen als Einstellung und Technik

Führen durch Fragen beinhaltet als eine Einstellung, eine Haltung gegenüber den Mitarbeitern, man könnte sagen, der Haltung des echten Interesses am Mitarbeiter. Daneben ist aber auch eine gute Fragetechnik (blog geplant) sinnvoll, wenn nicht sogar unerlässlich. Manche Führungskräfte haben einfach keine oder nur wenige Fragen, entweder weil sie „eh schon wissen“ (Haltung des Wissens statt des Erforschens) oder weil sie (manchmal ohne Absicht) in einer Verhörtechnik landen, die die Beziehung zum Mitarbeiter vergiften oder auch, weil sie sich nicht zu Fragen trauen (bzw. es sich nicht selbst gestatten. Gründe leigen hier oft in der eigenen Kindheit eine ’schwaren Pädagogik‘ von Eltern oder Schülern ausgesetzt war. „Frag nicht so blöd“ wirde da oft vernommen, besonders von älteren Generation der Baby-Boomer. Das wurde oft internalisiert und man gestattet sich dann selbst nicht zu fragen. Das Unbewusste bzw. unbewusste innere Anteile (z. B. der ‚innere Zensor‘, ‚der innere Kritiker‘, …als Teile des inneren Teams) tragen das ihre dazu bei und blockieren mich, und dann fallen mir gar keine Fragen mehr ein.

Was muss auf alle Fälle ergänzt werden zum ‚Führen durch Fragen‘

Als Führungskraft muss man in unterschiedliche Führungsrollen schlüpfen (blog ist geplant).

Eine der Rollen ist die „Führungskraft als Coach„. In dieser Rolle sind Fragen zentral. Diese Rolle wird auch im Ansatz des „New Work“ von Frithjof Bergman betont.  In anderen Rollen (z. B. Repräsentant, Leiter, …) sind Fragen nicht so wichtig oder sogar hinderlich. Auch diese Rollen müssen ausgefüllt, ergänzt werden.

Aus einer anderen Perspektive kann man „Führen als Leiten und Begleiten“ betrachten. (blog geplant).Hier sind Fragen ein wichtiges Tool zum Begleiten. Begleiten heißt mit dem Mitarbeiter mitgehen (symbolisch gesagt: daneben gehen – Schulter an Schulter, oder schützend und unterstützend, verstehend dahinter gehen)

Führung bedeutet aber immer auch Leiten, Vorangehen, (Rahmenbedingungen) Vorgeben, anweisen, Erwartungen formulieren usw. Hier sind klare Ansagen wichtig. Der Mitarbeiter soll klar wissen, was die Führungskraft von ihm erwartet. Fragen sind hier eher störend. Die Mitarbeiter sollten nicht erraten müssen, was ihre Aufgaben sind, was von ihnen erwartet wird usw. Fragen sind hier nur am Ende sinnvoll oder sogar notwendig, z. B. „Ist das ok für dich? „Kannst du das verstehen / akzeptieren?“ „Passt das für Dich?“ „Siehst du das auch so?“ …

Vorsicht

Zum Abschluss noch ein Hinweis auf die Gefahren des Fragens als Führungstool.

  • Keine Verhöre, viele geschlossenen Ja-Nein-Fragen (du erfährst nicht viel und es verschlechtert die Beziehung), besser offene Fragen – und zuhören
  • Stelle keine Fragen, deren Antwort du schon kennst (Scheinfragen)
  • Stelle keine Fragen von Angelegenheiten die schon entschieden sind (Mitarbeiter sollen selbst draufkommen, was ich will, dann muss ich es ihnen nicht sagen) Das ist falsche Version des Führens durch Fragen.

Fazit:

  • Finde als Führungskraft echtes Interesse an deinen Mitarbeitern.
  • Stelle Fragen, um sie besser kennenzulernen, aber auch um Probleme und Konflikte zu analysieren und zu lösen, Klärungen zu finden, zu echten Vereinbarungen zu kommen usw. Auch zur Verbesserung der Beziehungen zu den Mitarbeitern sind sie geeignet.
  • Entwickle eine Haltung des Lernens und Explorierens statt der Haltung, alles zu Wissens.

Reflexion für Führungskräfte
(Fragen zum Nachdenken zum Thema ‚Fragen als Führungsinstrument‘)

  • Wie viele Fragen stelle ich im Führungsalltag? Wie ist das Verhältnis von Frage zu ‚Ansagen‘? Frage ich genug? Und bin ich auch klar in meinen Ansagen? Wissen die Mitarbeiter, was ich will, wie ich denke …?
  • Wie gut kenne ich meine Mitarbeiter? Kenne ich ihre Wünsche, ihre Vorleiben, ihre Stärken, ihre Persönlichkeit, …? Wie viel weiß ich von ihrer privaten Lebenssituation? Vertrauen mir die Mitarbeiter, sodass sie mir auch persönliche oder private Dinge mitteilen bzw. Fragen zulassen?
  • Bin ich bereit, meinen Mitarbeitern auch wirklich zuzuhören? Nicht nur in fachlichen sondern auch in persönlichen und zwischenmenschlichen Dingen.
  • Stelle ich auch meinem Team Fragen? Bekomme ich ehrliche Antworten? Warum ja / warum nein?
  • Habe ich echtes Interess an meinen Mitarbeitern? Betrachte ich meine Mitarbeier nur als Funktionsträger oder auch als Mensch?
  • In welchem Ausmaß frage ich meine Mitarbeiter nach ihrer Meinung und Sichtweisen bei Problemanalysen und Problemlösungen? Sind mir die Meinungen meiner Mitarbeier wichtig?
  • Wie gut kann ich fragen? Muss ich mich um Fragen bemühen oder sprudeln sie nur so aus mir heraus oder …?
  • Wie ausgeprägt ist meine Neugier? Bin ich ein neugieriger Mensch? Inwieweit hilft mir meine Neugier gute Fragen zu stellen? Kann ich Neugier als Stärke sehen?

 

 

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