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Unternehmer*innen-Karriere, Stufe 1: Vorbereitung auf die Geschäftsführung

Der Weg zur Unternehmer*in

Führungskarrieren beginnen oft sehr früh. In Unternehmen und in Königshäusern. Bild der Queen Elizabeth I von England mit 13 Jahren (Anonymus, Original verschollen, 1559)

„Das ist nicht das Ende.
Das ist noch nicht einmal der Anfang vom Ende,
aber es ist vielleicht das Ende vom Anfang.“
(Winston Churchill)

Der Weg jedes Unternehmers und jeder Unternehmerin verläuft anders. Es gibt jedoch einige typische Phasen, die eine Unternehmer*innen-Karriere durchläuft und einige Regeln bzw. Muster, die das Gelingen dieser Karriere fördern oder behindern.

Es geht hier vor allem um die Laufbahn der Unternehmerin, wenn ein Unternehmen bereits vorhanden ist, viele Überlegungen gelten jedoch auch für Start Ups und Existenz-Gründer*innen. In der Regel gibt es Eltern, bei denen zumindest ein Elternteil unternehmerisch tätig ist und die Nachkommen auf eine mögliche spätere Übernahme herangeführt werden. In manchen Familien-Unternehmen erfolgt diese Heranführung planmäßig, in anderen nicht.  Auch unterscheidet sich der Grad, in dem eine mögliche Übernahme offen ist oder bereits frühzeitig mehr oder weniger feststeht.

Nehmen wir als Beispiel den Fall, dass in einem  Familien-Unternehmen im  mittelständischen Handel eine Tochter oder ein Sohn der (geschäftsführenden) Unternehmer*in nachfolgen. Edgar Schein hat in seinem Modell der Karriere-Entwicklung die Phasen der Entwicklung einer Führungskraft erforscht. Dieses Modell kann als Basis genommen werden, das in veränderter Form auch für die Karriere-Dynamik einer Unternehmer*in skizziert werden kann.

Phase 1: Erste Phantasien und Orientierungen in der Kindheit und Jugend

Der Karriereweg von Unternehmer*innen beginnt häufig schon sehr früh , früher und deutlicher als auf angestellten Karriere-Wegen. Die NachfolgerIn wächst oft in unmittelbarer Nähe des Unternehmens auf, verbringt oft einen Teil ihrer Zeit im Unternehmen, lernt Prozesse, Gewohnheiten, Umgangsformen usw. kennen. Das Leben in und mit dem Unternehmen wird zur Selbstverständlichkeit.

Hat die Nachfolgerin Geschwister, so ist die Situation komplexer als bei einem möglichen Nachfolger.

  • Manchmal entscheidet sich  schon bald, wer das Unternehmen übernehmen wird.
  • Manchmal fallen die Entscheidungen erst später, manchmal sehr spät, wenn sich Geschwister nicht festlegen wollen oder können.
  • Manchmal trifft die Nachfolgerin gar keine bewusste Entscheidung, es steht irgendwie (implizit) immer schon fest, wer das Unternehmen übernehmen wird.
  • Manchmal steht im Raum, dass zwei oder mehrere Geschwister das Unternehmen gemeinsam übernehmen werden, was die Komplexität nochmals deutlich erhöht.

Die Kindheit ist oft dadurch geprägt,

  • dass das Unternehmen früh zum Alltag der Kinder gehört. Kinder wachsen dann in und mit dem Geschäft auf, besonders, wenn die Wohnung in der Immobilie des Geschäfts integriert ist. Auch beim Essen werden geschäftliche Probleme besprochen. Das Familienleben wird dem Geschäftsleben untergeordnet.
  • Oft haben die Eltern sehr viel zu tun und daher wenig Zeit für die Kinder.
  • Häufig übernehmen die Großeltern ein beträchtlichen Anteil an Fürsorge und Erziehung der Kinder.
  • Manche Kinder genießen dadurch schon sehr früh sehr viel Freiheit. „Unsere Eltern hatten sehr wenig Zeit, wir Geschwister waren uns selbst überlassen“, war die Aussage eines Unternehmers

Phase 2: Lernen und Berufsausbildung

Auch Lernen und Entwicklung steht bei möglichen Nachfolgern häufig im Fokus der Unternehmer*innen-Ausbildung.

  1. Wurde die Übernahme-Entscheidung früh getroffen, so steht auch schnell die Richtung der Berufsausbildung früh fest.
  2. Offen ist, wie breitbandig diese Ausbildung sein soll und auf welchem Niveau sie angestrebt wird (von einer Lehre bis zum Universitäts-Abschluss).
  3. Für bestimmte Branchen gibt es sehr spezifische, beinahe unverzichtbare, Ausbildungen, für andere weniger. Für Textil-Unternehmer in Bayern ist z. B. die Lehranstalt des Deutschen Textileinzelhandels (LDT) in Nagold eine Institution, die so eine fachspezifische Ausbildung liefert, an der man als ‚Textiler‘ kaum vorbeikommt.
  4. Wird die Lehre gewählt, so ist die Ausbildung in einem fremden Unternehmen anzuraten. Wer immer nur das eigene Unternehmen erlebt hat, der „brät im eigenen Saft“, der bekommt wenig Weitblick.
  5. Wird ein Studium gewählt, so steht meist Betriebswirtschaftlehre im Vordergrund oder ein Studium, das für ein komplexes Produkt benötigt wird (z. B. technisches Studium). Auch ein IT-Focus ist beim Studium sehr sinnvoll.

Phase 3 : Eintritt ins Berufs- / Geschäfts-Leben
(incl. organisations-interne Grundausbildungen und Sozialisation)

  1. Wurde als Ausbildung die Lehre gewählt, so beginnt der Eintritt ins Berufsleben schon sehr früh, bei einer berufsbildenden Schule später, bei einem Fachhochschul- oder universitären Studium noch später.
  2. Der Berufseintritt findet sinnvoller Weise – wie bei der Lehre – in einem anderen Unternehmen statt.
  3. Ideal ist vor dem Eintritt ins eigene Unternehmen eine Laufbahn in mindestens 2, besser mehreren Unternehmen, in zumindest zwei Branchen, darunter auch ein Großunternehmen, da es dort ganz andere Strukturen und Kulturen gibt, die man kennen lernen sollte. . Es sollte sich dabei um echte Stellen handeln, keine bloßen Praktika, wenn möglich mit Übernahme zumindest einer Führungsverantwortung. Die zukünftige Unternehmer*in sollte das Selbstbewusstsein bekommen, auf das eigene Unternehmen nicht angewiesen zu sein, sondern jederzeit auch in anderen Unternehmen in einer Führungsposition reüssieren zu können.

Die traditionellen Lehr- und Wanderjahre, wie sie früher die Gesellen hatten, bevor sie Meister sind  auch ein gutes Modell für (zukünftige) Unternehmer*innen. Es kommt darauf an, möglichst viel Praxis-Wissen zu bekommen und Unternehmens-Praktiken kennen-zulernen: unterschiedliche Prozesse, Strukturen und Systeme, Normen und Kulturen. Das weitet die Sicht und kann später dem eigenen Unternehmen zugute kommen.

Viele Unternehmen haben eine organisations-interne Aus- und Fortbildung, die man auch nutzen sollte. Man lernt jedoch in dieser Phase nicht nur fachliche Inhalte sondern auch neue Werte, Normen, Prioritäten kennen, die sich oft starkt von denen im eigenen Unternehmen unterscheiden und die den eigenen Werte-Rahmen verändert und erweitert  („Sozialisation„). Dies ermöglicht, nicht nur über den fachlichen sondern auch über den werteorientierten Tellerrand zu blicken und weitet den Focus und die Handlungsmöglichkeiten bei der zukünftigen Gestaltung des eigenen Unternehmens.  Hat man die Möglichkeit, auch eine Führungsausbildung durchzumachen, werden auch die sozialen und persönlichen Kompetenzen erweitert. Das wird die innerbetriebliche Kommunikation verbessern und bietet Impulse für die persönliche Entwicklung.

Verläuft diese Phase erfolgreich, so hat man zusätzlich  eine Basis für den Plan B geschaffen. Ein Plan B erhöht den Selbstwert der Unternehmer*in und verbreitert die Handlungsmöglichkeiten. Vor allem vor der endgültigen Übernahme des Unternehmens sollte man die Entscheidung noch einem Check unterziehen. Plan B (z. B. Verbleib im letzten Job) gibt der Unternehmer*in die Alternative, um eine echte Entscheidung treffen zu können.

Start-up-Unternehmen und Existenz-Gründungen

Auch bei (kreativen) Start-ups und (traditionellen) Existenzgründungen (z. B. Handwerksbetriebe, Freiberufler usw.) zeigen sich häufig frühe Anzeichen für eine spätere Unternehmerinnen*Laufbahn.

  • Häufig wird von sehr selbständigen und oft auch ’schwierigen‘ Kindern (schwierige, weil unangepasst und klaren Vorstellungen, die häufig mit denen de Eltern und anderen Autoritäts-Personen kollidieren) berichtet.
  • Start-Ups haben häufig ein technisches / IT-Studium als Basis und sind starkt an ein innovatives Produkt gebunden.
  • Weniger kreative Start-Ups und solche an der Grenze zu Existenz-Gründungen haben oft ein Wirtschafts-Studium als Hintergrund, verbunden mit unternehmerischen Einstellungen („Entrepreneurship“)
  • Unter den Existenz-Gründer*innen sind viele Handwerksbetriebe (Tischler*innen, Schneider*innen, Friseur*innen) mit kreativen und/oder unternehmerischen ‚Einschlägen‘ vertreten.
  • Bei Freiberufler*innen (z. B. Steuerberater*innen, Rechtsanwälten, Architekt*innen, …) entwickelt sich die  Selbstständigkeits-Gedanken oft während ihrer Ausbildung, manchmal auch schon vorher.  Sie gehören fast zum Beruf dazu.

Selbstreflexion für (zukünftige und derzeitige) Unternehmer*innen

  • Wie ist diese Zeit der Vorbereitung auf die Geschäftsführung für mich verlaufen?
    • Was ist gut gelungen? Was weniger gut?
    • Was waren zentrale Ereignisse in dieser Zeit (im Unternehmen, in der Familie, für mich persönlich)
  • Wie gut wurde ich / habe ich mich vorbereitet auf die Geschäftsführung? Fühle ich mich professionell vorbereitet für die Aufgaben der Geschäftsführung?
  • Wie stark wurde meine Unternehmer-Identität in der Vorbereitungs-Stufe geformt?

1 … spürte mich noch gar nicht als Unternehmer*in
…  …  …
10 … empfand mich bereits als Unternehmer*in mit Leib und Seele
Begründung: …

  • Wie komplex war / ist meine Geschwister-Konstellation? Habe ich Geschwister? Wer hat sich für die Beteiligung an der Geschäftsbuchführung interessiert? Was war früh geklärt / entschieden? Was blieb lange offen bzw. ist noch offen?
  • Wie viel Erfahrungen konnte ich in anderen Unternehmen sammeln? In welchen Branchen? In welchen Positionen? Habe ich echte Verantwortung übernommen? (z.B. Führungs-Verantwortung) Konnte ich ganz andere Gewohnheiten, Strukturen, Kulturen erleben? Was konnte ich dabei lernen?
  • Was hat mir in dieser Zeit gefehlt? Was möchte ich nachholen?

Selbstreflexion für Start-Ups und Existenz-Gründer*innen

  • Wann ist die ‚unternehmerische Funke‘ bei mir entstanden?
  • Was waren meine Berufswünsche in meiner Kindheit und meiner Jugend? Wann ist unternehmerisches Denken dazugekommen.
  • Wieviel Zweifel, Attraktivität, Begeisterung bezüglich Selbständig-Machen und Unternehmertum sind bei mir hochgekommen?

Querverweise

Literatur und Links

Karriere-Phasen

Lebens-Phasen

Otmar Pichler: Lebensphasen und Lebenskrisen als Entwicklungschance für die Unternehmerpersönlichkeit. In: Klaus Gutknecht, Joachim Stumpf, Dirk Funck (Hrsg.): Erfolgreich im mittelständischen Handel. Erprobte Methoden, Hilfsmittel und Erfolgsstrategien. Günther Rid Stiftung. München 2010. S. 191 – 212. Aus: docplayer.org.

 

 

 

 

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