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Das Kritikgespräch als Sachgespräch

Sich nicht gockelhaft aufregen ist wichtig beim Kritikgespräch.

Das Kritikgespräch ist ein Führungsgespräch, ein Gespräch, das die Führungskraft mit einer Mitarbeiter_in  führt.

Es ist in erster Linie ein Sachgespräch1,  kein Beziehungs-Gespräch, kein Beurteilungsgespräch und kein Konfliktgespräch. Und damit ist es auch ein ’normales‘ Gespräch jenseits von Ärger, Aufregung, Frust und Vorwürfen.

Das wird leider von vielen Führungskräften nicht so gesehen, vor allem deswegen, weil sie mit Kritik Vorwürfe an die Person verbinden. Vorwürfe vergiften jedoch die Beziehung und das Klima.2 Es geht um eine Sache und die ‚Sache‚ in diesem Sachgespräch ist das kritisierte Ergebnis (z. B. low performance oder Fehler oder Schlampereien, Zeitüberschreitungen …) oder das kritisierte Verhalten (z. B. gegenüber Kunden, dem Team, anderen Abteilungen, …), nicht die kritisierte Person.3 Wie ist das zu verstehen?

Führungs-Aufgabe: Abweichungen ansprechen

Als Führungskraft ist es meine Aufgabe, Abweichungen anzusprechen, Abweichungen von einer Norm, z. B. von einer Leistungsnorm oder von einer Verhaltensnorm, einem gewünschten oder geforderten Verhalten. Dieses Ansprechen gehört zum ’normalen Führungs-Alltag‘ und ist keine Störung, kein Konflikt, kein Drama. Dafür wurde ich als Führungskraft bestellt, dafür werde ich bezahlt. Bei vielen Abweichungen, Fehlern usw. reicht ein kurzes Ansprechen, z. B. „Hast du das eh bemerkt, das war ein Fehler.“ Das kann reichen. Wir alle machen oft Fehler, wir müssen nicht jeden Fehler lange besprechen. Vielleicht muss ich den Fehler gar nicht ansprechen, z. B. wenn ich mir sicher bin, dass der Mitarbeiter den Fehler bemerkt hat und ich der Meinung bin, dass er das auch ernst nimmt und in Zukunft vermeiden wird. Dieses Ansprechen ist noch kein Kritikgespräch, aber möglicherweise ein erster Punkt dazu.

Mitarbeiter nicht vor Anderen kritisieren

Ein Kritikgespräch sollte eine Führungskraft führen, wenn sie  der Meinung ist, dass ohne diese Intervention die Abweichung weiter auftreten wird. Dann ist es sinnvoll, eine passenden Rahmen zu suchen, d.h., das Gespräch zur richtigen Zeit (möglichst nah am Auftreten der Abweichung, aber passend) am richtigen Ort (vor allem nicht vor Anderen) in der richtigen Art und Weise durchzuführen.

 

Ablauf  / Phasen eines Kritikgesprächs

Der grundlegende Ablauf eines Kritikgesprächs ist

  • Ansprechen meiner Wahrnehmungen als Führungskraft (als Ich-Botschaft: Was habe ich beobachtet, wahrgenommen, festgestellt: Zahlen – Daten – Fakten)
  • Stellungnahme der Mitarbeiter_in. Falls es Unterschiede in der Wahrnehmung gibt, ist jetzt  Zuhören der Führungskraft angesagt: Wie sieht das die Mitarbeiter_in. Vielleicht kommen zusätzliche Fakten, Sichtweisen …, die meine Meinung ergänzen oder relativieren. Hier ist keine Diskussion, kein Argumentieren angesagt. Wichtig ist auch, die Stellungnahme der Mitarbeiter_in nicht vorschnell als Ausreden anzusehen (zu ‚attribuieren‘).
  • Klärung der Ursachen der Abweichung (Stellungnahme des Mitarbeiters, Nachfragen, versuchen zu verstehen – verstehendes Klärungsgespräch)
  • Finden von Lösungen, die auch von der Mitarbeiter_in getragen wird (Lösungen sollten vor allem von der Mitarbeiter_in kommen – erhöht Akzeptanz, Realisierungs-Wahrscheinlichkeit)
  • konkrete Vereinbarung (Wie sollte konkret der Fehler in Zukunft vermieden werden? Wie sollte es zu einer höheren Leistung kommen, … – Vereinbarungsgespräch)
  • dran-bleiben (Nachfassgespräch,  ev. Abschlussgespräch)

Kein pädagogisches Korrekturgespräch

Vermieden werden sollte vor allem eine Form, die manche das „pädagogische Korrekturgespräch4 nennen: Die Fehler wird (meist vorwurfsvoll) aufgezeigt und es wird in einer Belehrung klargestellt, wie er in Zukunft sinnvoll vermieden werden muss (Appell der Führungskraft).5

Das Kritikgespräch sollte natürlich „auf Augenhöhe6 stattfinden und nicht als Moralpredigt oder als Bombardement mit Vorwürfen von oben nach unten.

Das Rückmeldungs-Gespräch als Alternative

Eine Alternative zum Kritikgespräch bzw. eine besondere Form davon ist das ‚gegenseitige Rückmeldungs-Gespräch‚, in dem beide Seiten austauschen, was in der Zusammenarbeit klappt und was nicht, um konkrete Punkte zur Verbesserung vereinbaren. Es ist besonders dann sinnvoll, wenn es mehrere Kritikpunkte gibt. Die Gegenseitigkeit verbessert das Klima und ermöglicht einen offeneren Austausch. Und vielleicht erfahre ich als Führungskraft Möglichkeiten, die ich tun kann, um die Situation zu verbessern.7

Zwei Versionen des Kritik-Gesprächs

Das bisher beschriebene Gespräch, man kann es auch als „Kritik-Klärungs-Gespräch“ bezeichnen ist eine Version dieses Gesprächs, das auf Klärung und Lösung gerichtet ist. Dabei sollen eine Lösung erzielt und eine entsprechende Änderung und ein Nachfass-Gespräch vereinbart werden.

Es gibt auch noch eine zweite Version des Kritik-Gesprächs. Man kann es auch als Kritik-Eskalations-Gespräch bezeichnen. Dies ist ein Gespräch, das geführt wird, wenn zahlreiche erfolgslose Versuche gegeben hat, in denen Erwartungen geklärt wurden, kritische Rückmeldungs-Gespräche bzw. Kritik-Klärungs-Gespräche durchgeführt, Vereinbarungen zur Lösung getroffen, klare Ziele vorgegeben wurden, aber alles nicht geholfen und man sich entschlossen hat, die Eskalations-Treppe höher zu gehen, die letztendlich zur Kündigung führt. In diesem Gespräch wird in der Regel nichts mehr geklärt, nichts gemeinsam erarbeitet, sondern klar Vorgaben gemacht werden, deren Nicht-Einhaltung einen (Eskalations-)Schritt weiter (z. B. zur offiziellen Ermahnung) in Richtung Kündigung führt. Die Vorgaben und Konsequenzen der Nicht-Erfüllung der Vorgaben müssen hier glasklar sein, dokumentiert werden – oft im Beisein eines Dritten (z. B. des nächsthöheren Vorgesetzten, eines Mitglieds der HR und/oder des Betriebsrats.8

 

6 Schritte um gutes Feedback zu bekommen.

Das Kritik-Gespräch.

Führungs-Gespräche Übersichtsblog.

 

Literatur und Links

Kritikgespräche – schwierige Gespräche

W. Stangl-Taller: Wie man als Vorgesetzter konstruktive Kritikgespräche führt. https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/Kritikgespraech-fuehren.shtml. 2019

Matthias K. Hettl:  Kritikgespräch führen: Kritikgespräche richtig führen. weka ch. 22.08.2017. https://www.weka.ch/themen/fuehrung-kompetenzen/kommunikation-und-auftritt/gespraechsfuehrung-und-verhandeln/article/kritikgespraech-fuehren-kritikgespraeche-richtig-fuehren/

Silke Wöhrmann: Arbeitshilfe: Kritikgespräche führen. personalwirtschaft.de. https://www.personalwirtschaft.de/assets/documents/Arbeitshilfen/Kritikgespraeche-fuehren.pdf

Anne M. Schüller: 14 Tipps, wie Sie ein konstruktives Kritikgespräch führen. onpulson.de, 6.9. 2009.  https://www.onpulson.de/1287/14-tipps-wie-sie-ein-konstruktives-kritikgespraech-fuehren/.

Guido Bonau: Kritikgespräch: Richtig mit der Reaktion des Mitarbeiters umgehen. wirtschaftswissen.de, 23. 3. 2019. https://www.wirtschaftswissen.de/personal-arbeitsrecht/mitarbeiterfuehrung/konfliktmanagement/kritikgespraech-richtig-mit-der-reaktion-des-mitarbeiters-umgehen/

Thomas Reining: Kritikgespräch oder Feedback? Was ist der Unterschied? gfg – gute-fuehrung-braucht-gespuer.de. https://www.gute-fuehrung-braucht-gespuer.de/gfg022-kritikgespraech-oder-feedback-was-ist-der-unterschied/.

Peter Weber: Schwierige Gespräche kompetent bewältigen: Kritik-Gespräch, Schlechte-Nachrichten-Gespräch; ein Praxisleitfaden für Führungskräfte. Pabst Science Publishers, 2006)

Mathias Jentzsch: Checkliste Kritikgespräch. i.o. business. https://www.jobadu.de/pdfs/01714.pdf.

Klaus Rischar: Spielregeln für den Umgang mit Chefs. Wiesbaden: Gabler, 2. Auflage 1987. Kap. 9: Das Kritikgespräch mit dem Chef. S. 150 ff.

business-wissen: So führen Sie ein Kritikgespräch. https://www.business-wissen.de/artikel/mitarbeitergespraech-so-fuehren-sie-ein-kritikgespraech/

Jürgen Fleig: 3 Checklisten fürs Kritikgespräch mit Mitarbeitern. business-wissen. https://www.business-wissen.de/artikel/mitarbeitergespraech-3-checklisten-fuers-kritikgespraech-mit-mitarbeitern/

Barthel, C./Gary Menzel (2009). Das Kritikgespräch oder der Umgang mit der eigenen Person in konflikthaften Gesprächen. In: Barthel (Hrsg.): „Personalentwicklung als Führungsaufgabe in der Polizei“. Stuttgart: Richard Boorberg Verlag, S. 87 – 126.

 

Eskalations-Treppe zur Kündigung

Sabine Hockling: Wenn ein Konflikt mit dem Mitarbeiter eskaliert. Aus: zeit.de. 31. 8. 2012. https://www.zeit.de/karriere/beruf/2012-08/chefsache-konfliktmanagement.

 

Feedback als Unternehmens-Kommunikation

Ingela Jöns, Walter Bungard (Hrsg.): Feedbackinstrumente im Unternehmen. Grundlagen, Gestaltungshinweise, Erfahrungsberichte. link.springer.com. https://link.springer.com/book/10.1007%2F978-3-658-20759-5.

Gerhard Comelli: Feedbackprozesse bei Teamentwicklung. In: Ingela Jöns, Walter Bungard: Feedbackinstrumente im Unternehmen. Aus: link.springer.com. https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-20759-5_3., S. 49 – 79.

 

 critical employee reviews

Susan H. Heathfield: 10 Key Tips for Effective Employee Performance Reviews. https://www.thebalancecareers.com/effective-performance-review-tips-1918842
David MizneGiving Critical Employee Feedback Is Not As Scary As It Seems. https://www.15five.com/blog/advice-managers-critical-employee-feedback/.

Shaun Pichler: The social context of performance appraisal and appraisal reactions. A meta-analysis. In: Human Resource Management 51(5):709-732 · September 2012. DOI: 10.1002/hrm.21499. Aus: researchgate.net. https://www.researchgate.net/publication/258431986_The_social_context_of_performance_appraisal_and_appraisal_reactions_A_meta-analysis.

 

Führung als professionelle Kommunikationskompetenz

Christian Barthel: Kluge Führung kann man lernen. Die kommunikative Dimension professioneller Führung. In: Die Polizei, Heft 5/2012, S. 127-135.

Christian Barthel: Kluge Führung kann man lernen (2). Die kommunikative Dimension professioneller Führung. In: Die Polizei, Heft 10/2012, S. 271-280.

Barthel, C./Gary Menzel (2009). Das Kritikgespräch oder der Umgang mit der eigenen Person in konflikthaften Gesprächen. In: Barthel (Hrsg.): „Personalentwicklung als Führungsaufgabe in der Polizei“. Stuttgart: Richard Boorberg Verlag, S. 87 – 126

Stefan Rief: Methode zur Analyse des Besprechungsgeschehens und zur Konzeption optimierter räumlich-techischer Infrastrukturen für  Besprechungen. – Universität Stuttgart. https://elib.uni-stuttgart.de/bitstream/11682/6899/1/Rief_Dissertation_2015.pdf

 

Systemische Analyse / Schulentwicklung (theoretischer Hintergrund)

Natalie Hartmann: Analyse der Handlungsmotivation außerschulischer Akteur_innen. Dissertation. Eberhard-Karls-Universität Tübingen,  Freiburg im Breisgau, Tübingen 2017.

 

Kommunikationstheorie von Paul Watzlawick

Paul Watzlawick, Janet H. Beavin, Don D. Jackson: Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. Hogrefe, 2016, Textauszüge (12. Auflage, 2011).
(Original: Pragmatics of Human Communication: A Study of Interactional Patterns, Pathologies, and Paradoxes. Norton, N. Y. 2011 (mit Lesprobe), (Faber & Faber, 1968) (Norton, 1967) (Chapter 2: Some tentative axioms of  communication)

o. A.: Die Axiome von Paul Watzlawick. Aus der Paul Watzlawick Website: www.paulwatzlawick.de. https://www.paulwatzlawick.de/index.html.

 

erstellt 14. 10. 2017
Revision und Ergänzung: 31. 8. 2019

  1. vgl. Nerdinger, Führung durch Gespräche, S. 77 ff.
  2. Vgl. dazu meinen Beitrag über die Apokalyptischen Reiter
  3.   Vgl. dazu meinen Beitrag: Rückmeldung geben ohne zu verletzen
  4. Vgl. dazu meinen Beitrag: Pädagogische Führungsgespräche
  5. im Modell von Norman Maier wäre das die Gesprächform „Tell“. Eine Verbesserung wäre „Tell & Sell“, und „Tell and Listen“. Unser Vorschlag entspricht dem „Problem-Solving-Gespräch“. Norman Maier hat diese Gespräche in erster Linie für Beurteilungs- und Rückmeldungs-Prozesse entwickelt. Vgl. dazu meinen Beitrag: Rückmeldung geben ohne zu verletzen
  6. in der psychologischen Fachsprache wird das auch „symmetrisch“ im Gegensatz zu „komplementär“ bezeichnet. vgl. das 5. Kommunikations-Axiom von Watzlawick
  7. Vgl. dazu meinen Beitrag: Feedback als Führungsaufgabe
  8.   Vgl. z. B. Sabine Hockling: Wenn ein Konflikt mit dem Mitarbeiter eskaliert.   

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